25.01.2024

Vorzeitige Vertragslösungen in der dualen Berufsausbildung

Aktuelle empirische Befunde der Berufsbildungsstatistik und Maßnahmen

von Alexandra Uhly und Frank Neises

Aktuelle Ergebnisse der Berufsbildungsstatistik zeigen für das Jahr 2022 für die duale Berufsausbildung nach Berufsbildungsgesetz (BBiG) beziehungsweise Handwerksordnung (HwO) einen deutlichen Anstieg der Vertragslösungsquote im Vergleich zum Vorjahr. Dieses Informationspapier bietet einen kurzen Überblick über die aktuellen statistischen Befunde und Analysen. Außerdem enthält es grundlegende Informationen zu Angeboten und Maßnahmen und Praxisbeispielen, die zur Vermeidung oder Reduktion von vorzeitigen Vertragslösungen in der dualen Berufsausbildung beitragen können.

Vertragslösungen: Grundlagen

Bild: Saklakova/Adobe Stock

Vorzeitig gelöste Ausbildungsverträge sind definiert als vor Ablauf der Ausbildungsdauer gelöste Ausbildungsverträge. Nicht gemeint ist die Beendigung durch Bestehen der Abschlussprüfung (§ 21 (2) BBiG). Sie erfolgen in der Regel durch einen Aufhebungsvertrag oder durch Kündigung. Die Berufsbildungsstatistik erhebt nicht, welche Form der Vertragslösung vorliegt oder auf wessen Initiative der Vertrag vorzeitig beendet wurde. Auch der Verbleib nach einer Vertragslösung (neuer Ausbildungsvertrag im dualen System, Studium, andere Berufsausbildung, Arbeitslosigkeit etc.) wird nicht erfasst.

Leider erlaubt die Berufsbildungsstatistik auch nach der Umstellung auf eine Einzeldatenerhebung seit dem Berichtsjahr 2007 keine Analyse vollständiger individueller Ausbildungsverläufe für alle Auszubildenden. Aufgrund eines fehlenden Personenidentifikators (der eindeutig und über alle Berichtsjahre unveränderlich ist und für den noch keine Rechtsgrundlage geschaffen wurde) können die Daten der verschiedenen Verträge nicht auf der Personenebene verknüpft werden – wenn etwa ein Auszubildender oder eine Auszubildende mehr als einen Ausbildungsvertrag abschloss und auch das jeweilige Ausbildungsverhältnis antrat. Deshalb ist der mögliche Verbleib im dualen System nach einer Vertragslösung nicht ersichtlich, ebenso nicht, wie lange eine Ausbildung dauert, die über mehrere Ausbildungsverträge erfolgte. Auch nicht ersichtlich ist der Misserfolg, wenn ein Auszubildender zwar den Vertrag nicht löst, aber niemals die Abschlussprüfung antritt: Der Vertrag ist befristet und kann auch ohne Vertragslösung ohne Erwerb eines Berufsabschlusses enden. Allerdings können Aspekte der Ausbildungsverläufe in der dualen Berufsausbildung betrachtet werden.

Vorzeitige Vertragslösung ≠ Ausbildungsabbruch

Im Gegensatz zum Hochschulbereich werden für die duale Berufsausbildung nicht komplette Ausbildungsabbrüche, sondern vorzeitige Vertragslösungen erfasst. Deshalb wird auch nicht der Ausdruck Ausbildungsabbruch verwendet, der üblicherweise für das endgültige Verlassen eines Bildungsbereichs ohne erfolgreichen Abschluss verwendet wird. Eine Vertragslösung bedeutet zwar in der Regel einen Abbruch eines Ausbildungsverhältnisses, bei einem Großteil der Vertragslösungen handelt es sich aber nicht um endgültige Austritte aus dem dualen System. Viele Auszubildende münden nach einer vorzeitigen Vertragslösung erneut in ein duales Ausbildungsverhältnis: Sie wechseln also lediglich den Betriebs und/oder den Ausbildungsberuf.

"Mindestens 50 Prozent der Auszubildenden mit vorzeitiger Vertragslösung schließen erneut einen Ausbildungsvertrag im dualen System ab."

 

Mindestens 50 Prozent der Auszubildenden mit vorzeitiger Vertragslösung schließen erneut einen Ausbildungsvertrag im dualen System ab; der Anteil variiert in verschiedenen Studien insbesondere nach der Dauer des Beobachtungszeitraums nach vorzeitigen Vertragslösungen. Außerdem kann es auch Ausbildungsabbrüche ohne Vertragslösung geben, wenn jemand die Abschlussprüfung nicht antritt oder nicht alle Prüfungsmöglichkeiten nutzt und das duale System nach der Befristung ohne Erwerb des Berufsabschlusses verlässt.

Berufsbildungsstatistik

Leider enthält die Berufsbildungsstatistik keine Individualdaten. Die Daten werden je Ausbildungsvertrag erhoben, Daten aus verschiedenen Verträgen der gleichen Person können nicht verknüpft werden. Somit liegen trotz jährlicher Totalerhebung keine vollständigen Verlaufsdaten für alle Auszubildenden vor. Hier besteht dringender Verbesserungsbedarf. Bestehende Hoffnungen, mit einem Bildungsregister auch Verlaufsdaten für die Forschung bereitzustellen, wurden noch nicht umgesetzt. Die Verwendung der Steuernummer als Personenidentifikator wurde nur für die Zwecke E-Government und Zensus zugelassen.

Datenquellen

Die Berufsbildungsstatistik der statistischen Ämter des Bundes und der Länder ist eine jährliche Totalerhebung zur dualen Berufsausbildung nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) und der Handwerksordnung (HwO). Darin werden alle Ausbildungsverträge des dualen Systems erfasst sowie zahlreiche Merkmale zu den Auszubildenden, Aspekte zum Ausbildungsverlauf und zu den Abschlussprüfungen, zum Ausbildungsberuf und auch einige zur Ausbildungsstätte. Der Datensatz erhebt ausschließlich Daten zu den dualen Ausbildungsberufen nach BBiG/HwO. Sogenannte schulische Berufsausbildungen, Beamtenausbildungen und sonstige duale Berufsausbildungen werden nicht erhoben.

Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) führt auf Basis der Berufsbildungsstatistik umfangreiche Dauerbeobachtungen durch, die unter anderem im BIBB-Datenreport zum Berufsbildungsbericht und ergänzend im Online-Datensystem DAZUBI berichtet werden. Der BIBB-Datenreport berichtet über verschiedene Indikatoren, die das BIBB auf Basis der Berufsbildungsstatistik analysiert. Ergänzend hierzu ermöglichen die in DAZUBI bereitgestellten Auswertungen den Datenabruf nach Ausbildungsberuf und Bundesland.

Das Statistische Bundesamt veröffentlichte die Daten der Berufsbildungsstatistik des Berichtsjahres 2022 am 22. August 2023. Das BIBB aktualisiert DAZUBI in der Regel im November des Jahres der Veröffentlichung durch das Statistische Bundesamt. Der BIBB-Datenreport zum Berufsbildungsbericht wird mit dem Erscheinen des Berufsbildungsberichtes veröffentlicht und enthält hinsichtlich der Berufsbildungsstatistik die im Jahr zuvor veröffentlichten Daten. Der im Mai 2023 veröffentlichte Datenreport ist somit noch auf dem Datenstand des Berichtsjahres 2021. Deshalb veröffentlichen wir mit diesem Informationspapier schon vorab etwas ausführlichere Analysen zu den vorzeitigen Vertragslösungen, um die neuen Befunde nicht unkommentiert stehen zu lassen.

Da der Verbleib nach Vertragslösung nicht erhoben wird und keine Individualdaten vorliegen, kann nicht zwischen Vertragswechseln und gänzlichen Austritten aus dem dualen System unterschieden werden. Der Verbleib von Personen mit Vertragslösung ist unbekannt. Dementsprechend können mithilfe der Berufsbildungsstatistik nur Aussagen zu vorzeitigen Vertragslösungen, nicht aber zu Ausbildungsabbrüchen gemacht werden. Die Berufsbildungsstatistik erhebt zwar auch die vorherige Berufsausbildung. Damit ist jedoch nur erkennbar, bei welchen Ausbildungsverträgen schon eine vorherige (duale) Berufsausbildung vorlag und ob diese erfolgreich beendet wurde oder nicht. Wann diese erfolgte und in welchem Beruf sie erfolgte, ist nicht bekannt. Die folgenden Befunde beziehen sich somit auf vorzeitige Vertragslösungen insgesamt und nicht auf Ausbildungsabbrüche im Besonderen.

Aktuelle Befunde der Berufsbildungsstatistik

Im Berichtsjahr 2022 wurden 155.325 Ausbildungsverträge vorzeitig gelöst. Gut ein Drittel aller Vertragslösungen erfolgten in der Probezeit, ein weiteres Drittel nach der Probezeit, aber noch im ersten Jahr nach Beginn des Ausbildungsverhältnisses. Weitere knapp 23 Prozent erfolgten im zweiten Jahr nach Vertragsbeginn. Im Ausbildungsverlauf sehr spät erfolgende Vertragslösungen kommen seltener vor: Gut zehn Prozent der Vertragslösungen im Jahr 2022 erfolgten 25 Monate nach Antritt des Ausbildungsverhältnisses oder später, im Zeitraum 37 Monate nach Antritt oder später lagen nur zwei Prozent der Vertragslösungen.

Wie hoch ist der Anteil der vorzeitigen Vertragslösungen an allen begonnenen Ausbildungsverträgen? Bei der Berechnung der Lösungsquote wird im Regelfall das sogenannte BIBB-"Schichtenmodell" (Quotensummenverfahren) herangezogen.

BIBB-"Schichtenmodell" (Quotensummenverfahren)

Klick zum VergrößernAbbildung 1: Berechnung der Lösungsquote im BIBB-"Schichtenmodell" (Quotensummenverfahren) ab Berichtsjahr 2010  LQ: Lösungsquote; Jahr0: aktuelles Berichtsjahr; Jahr–1: Vorjahr; Jahr–2: Vorvorjahr; Jahr–3: Vorvorvorjahr

Beim Schichtenmodell werden Teilquoten berechnet, bei denen die Anzahl der vorzeitig gelösten Ausbildungsverträge jeweils auf die entsprechende Anzahl der begonnenen Verträge des jeweiligen Beginnjahres bezogen werden. Aufgrund unterschiedlicher Kohortengrößen (Jahrgänge des Ausbildungsbeginns) kann man nicht durch die Anzahl der begonnenen Verträge des aktuellen Berichtsjahres dividieren, sondern muss die Quote der Vertragslösungen in Bezug auf die in einem Jahr begonnenen Verträge errechnen. Die Gesamtquote ergibt sich aus der Summe der Teilquoten. Aus überwiegend pragmatischen Gründen erfolgt eine Begrenzung auf vier Teilquoten.

Man kann die Lösungsquote auch als einen Näherungswert für den Anteil der im aktuellen Berichtsjahr begonnenen Verträge, die im Berichtsjahr oder später gelöst werden, interpretieren. Dieser Näherungswert ist eine gute Schätzung, wenn sich am Vertragslösungsgeschehen von Jahr zu Jahr keine grundsätzliche Veränderung ergibt.

Berechnung des Näherungswertes

Zunächst wird der Anteil der im Kalenderjahr begonnenen Verträge berechnet, der im aktuellen Jahr gelöst wurde; dann werden weitere Teilquoten addiert – wir wissen ja, dass von den im aktuellen Berichtsjahr begonnenen Verträgen auch künftig noch Verträge gelöst werden. Für die noch unbekannten Anteile an Verträgen, die künftig gelöst werden, stehen stellvertretend die Verträge, die im aktuellen Jahr gelöst wurden und in früheren Jahren begonnen hatten. So stehen etwa die im Vorjahr begonnenen Verträge, die im aktuellen Jahr gelöst wurden, stellvertretend für die im aktuellen Berichtsjahr begonnenen Verträge, die im nächsten Jahr gelöst werden.

Es handelt sich hierbei nicht um eine Abbruchquote und auch nicht um eine personenbezogene Quote. Berechnet wird die Quote mit Bezug zu allen begonnenen Verträgen. Aus bereits genannten Gründen kann auf Basis der Berufsbildungsstatistik keine personenbezogene Quote berechnet werden. Personenbezogene Quoten fallen in der Regel niedriger aus, da bei manchen Personen mehr als eine Vertragslösung vorkommt, bei der personenbezogenen Quote nur eine, bei vertragsbezogenen Quoten aber jede Vertragslösung einberechnet wird.

Im Berichtsjahr 2022 betrug die Vertragslösungsquote 29,5 Prozent, d. h. 29,5 Prozent der begonnenen Ausbildungsverträge wurden vorzeitig gelöst.

Klick zum VergrößernAbbildung 2: Lösungsquote in der dualen Berufsausbildung, Deutschland 1993 bis 2022

Die Lösungsquote schwankte in Deutschland im Durchschnitt viele Jahre zwischen 20 Prozent und 25 Prozent (Abbildung 2 und Tabelle 1). Seit 2016 zeigte sich mit 25,8 Prozent erstmals ein Wert leicht oberhalb dieses Schwankungsbereichs. Seit 2008 stieg die Lösungsquote in den meisten Jahren an. Ausnahme waren die Jahre 2012 (+/- 0 Prozent) sowie 2014 und 2017 mit leichten und 2020 mit einem deutlichen Rückgang der Lösungsquote.

Klick zum VergrößernTabelle 1: Lösungsquote in der dualen Berufsausbildung, Deutschland 1993 bis 2022

Ein deutlicher Anstieg der Lösungsquote zeigt sich 2022 nicht nur bei spezifischen Personengruppen, Bereichen oder Ländern, sondern bei allen Personengruppen von Auszubildenden (Männer, Frauen, Deutsche, Ausländerinnen und Ausländer, Auszubildende aller allgemeinbildender Schulabschlüsse) sowie bei allen Zuständigkeitsbereichen (Handwerk, Industrie und Handel, Öffentlicher Dienst, Landwirtschaft, Freie Berufe und Hauswirtschaft) und in den meisten Bundesländern (Ausnahmen: Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern; in diesen Ländern war die Lösungsquote allerdings zuvor auch schon relativ hoch).

Klick zum VergrößernAbbildung 3: Lösungsquoten nach Personenmerkmalen der Auszubildenden, Deutschland 2022

Die Lösungsquoten unterscheiden sich zwischen den Regionen, unterschiedlichen Personengruppen, den Zuständigkeitsbereichen und insbesondere zwischen den Berufen. Die Befunde hierzu sind über die Jahre weitgehend stabil. Beispielhaft für das Berichtsjahr 2022 sind hier die Lösungsquoten nach Personenmerkmalen der Auszubildenden (Abbildung 3) und nach Zuständigkeitsbereichen (Abbildung 4) aufgeführt. Für die einzelnen Länder und Berufe kann man die Lösungsquoten auch in DAZUBI online abrufen.

Klick zum VergrößernAbbildung 4: Lösungsquoten nach Zuständigkeitsbereichen, Deutschland 2022

Die Lösungsquoten von Männern und Frauen unterscheiden sich im Berichtsjahr 2022 – wie auch in den Vorjahren – kaum. Die Lösungsquote der Auszubildenden ohne deutschen Pass (Berichtsjahr 2022: 39,7 Prozent) liegt deutlich über der Quote der deutschen Auszubildenden (28,2 Prozent). Teilweise ist dies durch unterschiedliche Schulabschlüsse bedingt. Je höher der Schulabschluss, desto geringer fällt die Lösungsquote aus. Mehr als 42 Prozent der Ausbildungsverträge von Personen mit maximal Hauptschulabschluss werden vorzeitig gelöst, bei den Verträgen der Studienberechtigten sind es nur 18 Prozent.

Differenziert man die Ausbildungsverträge nach Zuständigkeitsbereichen (Abbildung 4), dann zeigen sich höhere Lösungsquoten im Handwerk (2022: 36,7 Prozent), bei den Ausbildungsberufen der Freien Berufe (34,7 Prozent) sowie der Hauswirtschaft (32,6 Prozent), mittlere Quoten bei den Ausbildungsberufen von Industrie und Handel sowie der Landwirtschaft (ca. 26 Prozent) und sehr niedrigen Lösungsquoten in den beim öffentlichen Dienst (9 Prozent).

Achtung: Keine kausalen Schlussfolgerungen auf Basis einfacher Deskriptionen!

Aus solchen beschreibenden Unterschieden sollte man noch keine kausalen Schlüsse ziehen. Wenn die Lösungsquoten beispielsweise bei Jugendlichen mit Hauptschulabschluss oder in Berufen des Handwerks im Durchschnitt sehr hoch ausfallen, dann bedeutet dies nicht, dass der Hauptschulabschluss oder das Handwerk an sich die Ursache für das höhere Lösungsrisiko sind. Jugendliche mit Hauptschulabschluss findet man beispielsweise eher in Berufen mit instabileren Ausbildungsverhältnissen, außerdem weniger wahrscheinlich in ihrem Wunschberuf, was auch zu einem höheren Lösungsrisiko führt. Im Handwerk findet man deutlich höhere Anteile an Auszubildenden mit geringeren Schulabschlüssen als im Bereich Industrie und Handel, zudem gibt es hier häufiger kleine Betriebe. Beides erhöht tendenziell das Lösungsrisiko.

Ursachen vorzeitiger Vertragslösungen?

Ursachenzusammenhänge vielfältig und komplex

Verschiedene Studien aus früheren Jahren, die Auszubildende und Betriebe nach den Gründen für vorzeitige Vertragslösungen fragen, kamen zu weitgehend übereinstimmenden Befunden. Werden Betriebe oder Ausbildungspersonal  befragt, dann werden vor allem Gründe genannt, die in der Verantwortung der Jugendlichen liegen, wie etwa eine mangelhafte Berufsorientierung, eine mangelnde Leistungsbereitschaft (Fehlzeiten, unzureichende Identifikation mit dem Betrieb, mangelndes Durchhaltevermögen) sowie mangelnde Leistungsfähigkeit (unzureichende Leistung im Betrieb, Überforderung) der Auszubildenden. Werden Jugendliche befragt, so nennen diese überwiegend betriebliche Gründe wie Kommunikationsprobleme beziehungsweise Konflikte mit Ausbildern und Ausbilderinnen sowie Vorgesetzten, eine mangelhafte Ausbildungsqualität (Beschäftigung statt Ausbildung, mangelnde Vermittlung von Ausbildungsinhalten). Außerdem nennen sie Arbeitsbedingungen wie unbezahlte Überstunden, ungünstige Arbeitszeiten und Urlaubsregelungen. Berufsbezogene Gründe werden vor allem von denjenigen genannt, die angeben, dass sie ihren Wunschberuf nicht realisieren konnten oder andere Vorstellungen vom Beruf hatten. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die direkte Frage nach Gründen noch keine Ursachenanalyse darstellt und – wie die Befunde zeigen – die Gefahr nachträglicher Rechtfertigungen und wechselseitiger Schuldzuschreibungen besteht.

Streichhölzer mit verschiedenfarbigen Köpfen
Bild: VRD/Adobe Stock

Die Ursachen für vorzeitige Vertragslösungen sind vielfältig und komplex. Verschiedene Studienergebnisse auf Basis der Berufsbildungsstatistik, aber auch auf Basis anderer Quellen – wie z. B. das Nationale Bildungspanel (NEPS) des Leibniz-Instituts für Bildungsverläufe (FDZ-LIfBi) oder Integrierte Erwerbsbiographien des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) – werden auch im BIBB-Datenreport referiert. Man kann davon ausgehen, dass sich neben der Leistungsbereitschaft und der Leistungsfähigkeit sowie dem Berufswahlverhalten der Auszubildenden auch betriebliche Ausbildungsbedingungen, die Qualität der Ausbildung, das Ausmaß an betrieblichen Ausbildungsinvestitionen, aber auch die Attraktivität des Ausbildungsberufs auf die Vertragslösungswahrscheinlichkeit auswirken. Verschiedene Studien zeigen auch einen statistischen Zusammenhang zwischen Vertragslösungsrisiko und Ausbildungsvergütung. Ob es sich hierbei nur um Korrelationen oder auch kausale Zusammenhänge handelt, ist nicht geklärt; eine vertragslösungssenkende Wirkung höherer Ausbildungsvergütungen ist nicht gesichert. Neuere Studien zeigen, dass das Vertragslösungsrisiko umso höher ausfällt, je weniger der Ausbildungsberuf dem Wunschberuf entsprach und je größere Berufswahlkompromisse eingegangen wurden. Auch Rahmenbedingungen wie die Ausbildungsmarktlage können das Vertragslösungsrisiko beeinflussen.

Die Ausbildungsmarktlage und die Lösungsquote: Ein stabiler statistischer Zusammenhang im Zeitverlauf

Wie bereits beschrieben, sind die Ursachen für vorzeitige Vertragslösungen in der dualen Berufsausbildung vielfältig. Daher ist auch anzunehmen, dass es nicht nur eine Ursache für die Entwicklung der Lösungsquote im Zeitverlauf gibt. Da die Lösungsquote bei allen Personengruppen, Bereichen und den meisten Bundesländern deutlich steigt, liegt auch kein Hinweis darauf vor, dass Strukturveränderungen in der Zusammensetzung der Ausbildungsverhältnisse (Frauenanteil, Männeranteil, die Anteile der Zuständigkeitsbereiche und Länder) diesen Anstieg bedingen könnten. Es handelt sich vielmehr um eine generelle Entwicklung in der dualen Berufsausbildung.

Was sich aber als stabiler statistischer Zusammenhang schon seit vielen Jahren zeigt und auch unter Einbezug des aktuellen Berichtsjahres gilt, ist ein positiver Zusammenhang zwischen Angebots-Nachfrage-Relation (ANR) am Ausbildungsmarkt und Lösungsquote.

Angebots-Nachfrage-Relation (ANR)

Die Angebots-Nachfrage-Relation ist ein Quotient aus der Anzahl der angebotenen Ausbildungsstellen und der Ausbildungsplätze nachfragenden Jugendlichen. Zum Angebot zählen neben den besetzten Ausbildungsplätzen die unbesetzten Ausbildungsstellen, sofern sie bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) als offene Stellen registriert sind. Zur Nachfrage zählen neben den besetzten Ausbildungsplätzen die bei der BA registrierten Ausbildungsplatzsuchenden. Je günstiger die Ausbildungsmarktlage aus Sicht der Jugendlichen (also je höher die ANR), desto höher ist die Lösungsquote.

Klick zum VergrößernAbbildung 5: Der statistische Zusammenhang zwischen der Ausbildungsmarktlage und der Lösungsquote im Zeitverlauf

Die Koeffizienten sind bei Änderungsraten etwas einfacher zu interpretieren. Das Ergebnis einer einfachen linearen Regression zwischen der Veränderungsrate der bundesweiten Angebots-Nachfrage-Relation und der Veränderungsrate der Lösungsquote (Abbildung 5b) ergibt einen positiven, statistisch signifikanten Zusammenhang beider Größen. Der Regressionskoeffizient gibt an, dass bei einem Anstieg der ANR um ein Prozent die Lösungsquote um ca. 1,3 Prozent steigt. Dieser Zusammenhang zeigt sich in der Betrachtung des Zeitverlaufs, aber nicht im Querschnittsvergleich; also etwa nicht im Vergleich der Lösungsquoten eines Jahres zwischen den Bundesländern.

Wie ist ein solcher Zusammenhang zu interpretieren? Die einfache lineare Regression zweier Variablen zeigt zunächst nur den statistischen Zusammenhang. Welche Zusammenhänge zwischen Marktlage, Ausbildungsentscheidungen und Lösungsquote können dahinterstecken? Denkbar sind folgende Zusammenhänge:

Einerseits können Ausbildungsstellensuchende bei für sie günstiger Ausbildungsmarktlage (also höherer ANR) eher einen Ausbildungsplatz im Wunschberuf finden. Es liegt also ein statistisch negativer – Lösungsquoten senkender – Effekt vor. Andererseits ist bei einer solchen Marktlage auch eher ein Wechsel in ein anderes Ausbildungsverhältnis möglich, wenn nach Antritt des Ausbildungsverhältnisses doch ein Wechselwunsch auftritt. Damit besteht also ein statistisch positiver Effekt auf die Lösungsquote.

"Neuere Studien zeigen, dass das Vertragslösungsrisiko umso höher ausfällt, je weniger der Ausbildungsberuf dem Wunschberuf entsprach und je größere Berufswahlkompromisse eingegangen wurden."

 

Aus Sicht der Ausbildungsbetriebe besteht bei höherer ANR, insbesondere bei deutlichem Bewerber- und Fachkräftemangel, eher eine geringere Bereitschaft, Ausbildungsverträge zu lösen – selbst dann nicht, wenn Probleme im Ausbildungsverhältnis auftreten. Andererseits kann man annehmen, dass Ausbildungsbetriebe bei einer aus ihrer Sicht ungünstigeren Ausbildungsmarktlage eher bereit sind, Auszubildende einzustellen, die sie nicht präferieren oder die weniger geeignet sind. Dies könnte eher zu Problemen im Ausbildungsverlauf und letztlich zu Kündigungen führen.

Im Gesamteffekt dieser verschiedenen denkbaren Zusammenhänge von Marktlage und Lösungsrisiko aus Sicht der Auszubildenden sowie der Ausbildungsbetriebe scheint der vertragslösungserhöhende Effekt der Veränderung der Ausbildungsmarktlage hin zu einem Bewerbermarkt zu überwiegen: Es zeigt sich im Ergebnis ein statistisch positiver Zusammenhang zwischen Angebots-Nachfrage-Relation und Ausbildungsmarktlage. Dies erscheint insbesondere im Licht der Befunde zu höheren Lösungsrisiken, wenn der erzielte Ausbildungsplatz nicht dem Wunschberuf entsprach, als eine plausible Begründung für den statistischen Zusammenhang von Marktlage und Lösungsquote.

Im Vergleich zum Berichtsjahr 2021 stieg die Lösungsquote im Jahr 2022 um 2,8 Prozentpunkte. Dies ist ein deutlich stärkerer Anstieg als in den Jahren zuvor. 2020 gab es trotz steigender ANR sogar einen Rückgang um 1,8 Prozentpunkte. Warum war der Anstieg im Jahr 2022 besonders stark? Dies könnte auch damit zusammenhängen, dass die ANR 2022 im Vorjahresvergleich relativ stark gestiegen ist. Ebenso könnten auch noch einige Vertragslösungen zeitverzögert erfolgt sein, die unter den unsicheren Bedingungen der Corona-Pandemie in den Jahren 2020 und 2021 zunächst nicht getätigt wurden. Allerdings können zeitlich verzögert erfolgte Vertragslösungen nicht in größerem Ausmaß vorgekommen sein, denn der Anteil der im Ausbildungsverlauf vergleichsweise spät erfolgten Vertragslösungen ist in 2022 im Vergleich zu den Vorjahren nicht gestiegen.

Maßnahmen zur Vermeidung bzw. Reduktion von Vertragslösungen

Die Ursachen von vorzeitigen Vertragslösungen sind vielfältig und können sich im Einzelfall deutlich unterscheiden. Sie können im Bereich revidierter Berufswahlentscheidungen oder den Anforderungen im Beruf liegen, in Konflikten zwischen Ausbildungspersonal und Auszubildenden oder im Ausbildungsverhalten der beteiligten Akteure, wie auch in unterschiedlichen Vorstellungen und Erwartungen in Bezug auf die Ausbildung bzw. Auszubildenden. Entsprechend gibt es auch nicht nur eine spezifische Maßnahme zur Vermeidung oder Reduktion von vorzeitigen Vertragslösungen in der dualen Berufsausbildung.

Junge Menschen im Gespräch in einem Stuhlkreis, von oben betrachtet
Bild: Photographee.eu/Adobe Stock

Die Angebote und Maßnahmen unterscheiden sich darin, an wen sie sich vorwiegend richten, welcher fachliche Schwerpunkt gelegt wird oder wie sie zeitlich platziert werden. So gibt es Angebote, die die Jugendlichen adressieren (zum Beispiel Beratung, Nachhilfe) oder aber die Betriebe und das ausbildende Personal (zum Beispiel Maßnahmen zur Verbesserung der Ausbildungsqualität). Es existieren aber auch Angebote, die das Ausbildungsverhältnis auf mehrdimensionaler Ebene in den Fokus rücken und ganzheitlicher die verschiedenen Seiten einbinden. Das bundesweite Instrument der "Assistierten Ausbildung" besteht aus einer Vorphase zur Anbahnung einer Ausbildung und einer Begleitung während der Ausbildung, wenn nötig bis zum Ausbildungsabschluss. Das Instrument soll sowohl in Richtung der Jugendlichen (zum Beispiel Coaching, Nachhilfe) als auch der Betriebe (zum Beispiel Begleitung bei administrativen Aufgaben, Coaching) eine Unterstützung anbieten und dies zeitlich flexibel – punktuell oder dauerhafter. Auch die berufsbildende Schule kann sowohl vor der Ausbildung als auch während der Ausbildung ein wichtiger Partner sein, wie das beim hessischen Förderinstrument "QuABB – Qualifizierte Ausbildungsbegleitung in Betrieb und Berufsschule" der Fall ist.  Bei der Unterstützung durch Dritte geht es häufig darum:

  • Konflikte oder Missverständnisse zu moderieren,
  • Lernvoraussetzungen zu verbessern oder Lernortkooperationen zu intensivieren,
  • die betriebliche Sozialisation zu stärken oder Konzepte des "Onboarding" umzusetzen“ (Neises, 2016).

Was ist nun das passende Angebot zur Vermeidung von vorzeitigen Vertragslösungen? Diese Frage lässt sich aufgrund der Vielschichtigkeit der Ausgangslagen nicht grundlegend beantworten. Vielmehr ist die Antwort bezogen auf den jeweiligen Fall zu betrachten, wobei die Jugendlichen nicht als die alleinigen "Problemträger" gesehen werden sollten, sondern das Ausbildungsverhältnis insgesamt in den Blick gerückt werden muss. Es kann also auf mehreren Ebenen angesetzt werden. Im Vorfeld der Ausbildung gehört eine reflektierte Berufswahlentscheidung der Jugendlichen dazu, wobei es auch hier schon wichtig ist, mit Betrieben zusammen zu arbeiten und den Jugendlichen in betrieblichen Phasen (zum Beispiel Hospitationen, Praktika) Einblicke in den Betrieb und Beruf zu gewähren. Von Betriebsseite kann dies sehr hilfreich sein, weil Praktika einerseits die sogenannten "Klebeeffekte" erzeugen, andererseits auch die persönliche Ebene im Kontakt mit den Jugendlichen stärken. Hier gilt es, den zukünftigen Azubi mit seinen vielschichtigen Motiven, Voraussetzungen und Potenzialen in den Blick zu nehmen, um über das betriebliche Lernen in der Ausbildung die persönliche Entwicklung zu stärken. Auf Seiten der Betriebe kann man hier gezielte Maßnahmen ergreifen, um die Ausbildungsqualität zu steigern. Diese werden zu Beginn der Ausbildung unter dem Begriff des "Onboarding" zusammengefasst. Bei sich anbahnenden Konflikten kann es zudem hilfreich sein, die Unterstützung durch Dritte frühzeitig einzuholen, um diese im besten Fall in konstruktiver Weise aufzulösen.

"Bei der Unterstützung der Jugendlichen durch Bildungsträger und Beratungsstellen sollten die individuellen Voraussetzungen und Bedürfnisse sowie die Mehrdimensionalität des Lernens besondere Beachtung finden."

 

Bei den Angeboten und Maßnahmen sollte also darauf geachtet werden, wie nachhaltig und langfristig ihre Wirkungen sind. Gerade für die Betriebe scheint es wichtig, den Fokus auf grundlegende Rahmenbedingungen, Strukturen und Prozesse zu richten, gerade in Zeiten des Bewerbermangels. Bei der Unterstützung der Jugendlichen durch Bildungsträger und Beratungsstellen sollten die individuellen Voraussetzungen und Bedürfnisse sowie die Mehrdimensionalität des Lernens besondere Beachtung finden. Diesen Ansätzen sind bestimmte Prinzipien gemeinsam, das Normalitätsprinzip, das Dienstleistungsprinzip und das Individualisierungsprinzip (vgl. Neises, 2016).

Im Folgenden werden verschiedene Angebote und Maßnahmen chronologisch, also vor und während der Ausbildung sowie bei sich anbahnenden vorzeitigen Lösungen skizziert. Außerdem werden hilfreiche Internetressourcen zu Förderinstrumenten und Praxisbeispielen aufgeführt.

Maßnahmen vor Ausbildungsaufnahme

Berufswahl


Manche Jugendliche benötigen Unterstützung, um zu reflektierten und gefestigten Berufswahlentscheidungen zu kommen, etwa durch Praktika und betriebliche Phasen sowie frühzeitiges Kennenlernen von Berufsfeldern und Betrieben bei Betriebsbesuchen und Hospitationen. Dabei ist es wichtig, Möglichkeiten des Ausprobierens zu schaffen und Praktika gezielter für Reflexionsprozesse zu nutzen sowie den Prozess pädagogisch zu begleiten.

Beratung


Jugendberufsagenturen in den Kommunen beraten Jugendliche im Hinblick auf eine reflektierte Berufswahlentscheidung und Betriebsakquise. Auf der Website der Servicestelle Jugendberufsagenturen gibt es eine bundesweite Übersicht zu den Jugendberufsagenturen inklusive Suchfunktion.
Servicestelle Jugendberufsagenturen

Berufsorientierung


Betriebe eines Berufsfeldes könnten bei der Berufsorientierung und bei der Durchführung von Praktika kooperieren, statt in Konkurrenz um die Jugendlichen zu treten. Sinnvoll kann auch sein, das "Rekrutieren" stärker auf soziale und persönliche Aspekte auszurichten und beim "Matching" auch Haltung und Werte zu berücksichtigen.

Digitale Angebote zur Berufsorientierung


Das Berufenavi ist eine Navigationshilfe durch die Angebote zur Beruflichen Orientierung im Netz.
Berufenavi

Mittels der 360°-Berufsfeldpanoramen werden Jugendlichen auf interaktive Weise die Inhalte verschiedener Berufsfelder nahegebracht. Über Videos, Interviews, Quiz oder Erfahrungsberichte von Auszubildenden erhalten Jugendliche authentische Einblicke.
360°-Berufsfeldpanoramen

Check-U ist das Erkundungstool für Ausbildung und Studium der Bundesagentur für Arbeit. Es ermöglicht mit Hilfe eines Tests das Erkennen von Stärken und Interessen und die Ermittlung von dazu passenden Ausbildungsberufen.
Check-U

Die Bundesagentur für Arbeit bietet Informationen und Links zu digitalen Angeboten. Die Berufsberaterinnen und -berater der Bundesagentur für Arbeit bieten zudem Berufsorientierung im Klassenverband an.
Bundesagentur für Arbeit, Planet Beruf

Matching


Vor Ausbildungsbeginn können im Fall von Unsicherheiten bei Jugendlichen und Betrieben Kurz-Praktika oder Einstiegsqualifizierungen, vermittelt durch die Agentur für Arbeit, vereinbart werden. Einstiegsqualifizierungen können vor allem auch bei neu zugewanderten jungen Menschen sinnvoll sein. Zur Anbahnung der Ausbildung kann die Vorphase einer Assistierten Ausbildung (SGB III, Vermittlung über die Agentur für Arbeit) genutzt werden.
Assistierte Ausbildung

Wenn Jugendliche durch Elternschaft, Familiensorge oder Sprachkurse zeitliche Schwierigkeiten bei der Durchführung einer Ausbildung haben, kann auch eine Berufsausbildung in Teilzeit vereinbart werden – gegebenenfalls auch phasenweise.
Berufsausbildung in Teilzeit (PDF)

Ausbildungsverbund


Betriebe können Ausbildungen auch im Verbund mit anderen anbieten. Dabei kann es sich um eine Auftragsausbildung bei einem Bildungszentrum oder die Kooperation mit anderen Betrieben handeln, etwa durch ein Ausbildungskonsortium, eine Partnerausbildung oder Ausbildungsvereine. Auch gibt es Angebote des Externen Ausbildungsmanagements (EXAM) für kleine und mittlere Unternehmen.
Externes Ausbildungsmanagement (EXAM)

Maßnahmen nach Ausbildungsbeginn

Onboarding


Betriebe können Instrumente des Onboardings nutzen, also auf fachlicher, sozialer und kultureller Ebene gezielte Maßnahmen ergreifen, um das Ankommen im Betrieb zu erleichtern, die Orientierung zu verbessern und damit die Integration in den Betrieb zu stärken. Informationen zum Onboarding gibt ein Gastbeitrag bei überaus.
Gastbeitrag bei überaus: "Auszubildende an Bord holen"

Weitere Informationen zum Thema Onboarding bietet die IHK Nord Westfalen.
IHK Nord Westfalen

Ausbildungsqualität erhöhen


Betriebe können auf eine Vielzahl von Angeboten zurückgreifen, um ihre Ausbildungsqualität zu erhöhen. Hier reicht das Spektrum von Leitfäden zur betrieblichen Ausbildungsqualität über Trainings bis hin zu Qualitätssiegel für Ausbildungsbetriebe. Ein Beispiel für ein solches Qualitätssiegel gibt es bei der HWK Hannover.
HWK Hannover

Der Leitfaden "Qualität der betrieblichen Berufsausbildung" unterstützt die Einführung, (Weiter-)Entwicklung und Begleitung von Qualitätsansätzen in der betrieblichen Ausbildung.
Leitfaden "Qualität der betrieblichen Berufsausbildung"

Der Fortbildung für das Ausbildungspersonal kann eine Qualifizierungskonzept der Fachstelle überaus und des Bildungsträgers FRESKO e.V. zur Vorbereitung und Unterstützung der Ausbildung von jungen Zugewanderten im Betrieb dienen.
Qualifizierungskonzept

Mentoring/Sozialisation


Es gibt eine ganze Reihe von Maßnahmen, um die betriebliche und berufliche Sozialisation Auszubildender von Beginn an zu unterstützen. So können Mentoren und Mentorinnen bei der Orientierung helfen und das Gefühl der Zugehörigkeit stärken. Hilfreich können auch informelle Anlässe wie Betriebsfeiern oder Teamaktivitäten sein. Was eine gute Ausbildung ausmacht, beschreibt ein Geschäftsführer eines Betriebes zu Beginn des Videos "Flüchtlinge in der Ausbildung".
Video "Flüchtlinge in der Ausbildung"

Unterstützung durch Dritte


Bei Schwierigkeiten oder zu erwartenden Problemen können Betriebe Unterstützung von außen hinzuziehen. Beispiele dafür sind die Assistierte Ausbildung oder Landesprogramme wie "QuaBB" in Hessen, "Erfolgreich ausgebildet" in Baden-Württemberg oder "Bleib dran" in Bremen. Zu den bundesweiten Angeboten gehört auch die Initiative VerA – Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen und Stärkung Jugendlicher in der Berufsausbildung durch SES-Ausbildungsbegleiter.
Initiative VerA

Auch die Ausbildungsberaterinnen und -berater der Kammern oder Mediationsangebote von Bildungsträgern können hilfreich sein. Einen Praxisbericht zum Mediationsservice Ausbildung in Hamburg gibt es ebenfalls bei überaus.
Praxisbericht zum Mediationsservice Ausbildung

Sprache und Kultur


Zu Aspekten der Sprache und Kultur bei der Ausbildung von Zugewanderten hat die Fachstelle überaus ein Dossier erstellt, das eine Reihe von Videoclips zu Konfliktsituationen und Lösungsmöglichkeiten umfasst. Hintergrund der Clips sind Themen und Anliegen, die Ausbilderinnen und Ausbilder als relevant benannt haben.
Dossier der Fachstelle überaus

Maßnahmen bei sich anbahnender Vertragslösung

Droht eine vorzeitige Beendigung der Ausbildung, dann können Betriebe die Möglichkeit der "Assistierten Ausbildung" nutzen oder eine Ausbildungsberatung hinzuziehen. Wichtig ist in einem solchen Fall eine Meldung bei der Jugendberufsagentur oder bei der Agentur für Arbeit vor Ort, damit die Jugendlichen sich nicht komplett aus der Bildungskarriere verabschieden, sondern auch nach Beendigung der Ausbildung betreut bleiben. Die Jugendberufsagentur vor Ort kann über eine Suche auf der Website der Servicestelle Jugendberufsagenturen gefunden werden.
Servicestelle Jugendberufsagenturen

Um die Entstehung oder Eskalation von Konflikten zu vermeiden, bieten die zuständigen Stellen allen an der Ausbildung Beteiligten eine Konflikt- und Problemlösungsberatung. Die Spannbreite reicht hier von telefonischer, elektronischer und Vor-Ort-Beratung bis hin zu Instrumenten der Mediation, die zum Beispiel vom Zentralverband des Deutschen Handwerks angeboten wird.
Zentralverband des Deutschen Handwerks

Die Beraterinnen und Berater der Kammern helfen außerdem bei Rechtsfragen, Fragen zu Rechten und Pflichten der Vertragsparteien, pädagogischen Fragen sowie finanziellen und administrativen Fragen.

Ein Angebot zur Konfliktlösung sind auch die Ausschüsse zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Ausbildenden und Auszubildenden gemäß § 111 Abs. 2 Arbeitsgerichtsgesetz, sofern ein solcher Ausschuss bei der zuständigen Kammer besteht. Der paritätisch mit Arbeitgebern und Arbeitnehmern besetzte Schlichtungsausschuss bietet als unabhängige Instanz Chancen für eine außergerichtliche Einigung und den Erhalt des Ausbildungsverhältnisses.

Eine Kooperation mit Bildungsträgern oder ein Wechsel in eine außerbetriebliche Ausbildung in Kooperation mit Betrieben (BaE, SGB III, § 76, vermittelt über die Agentur für Arbeit) können dabei helfen, Ausbildungen erfolgreich zu beenden. Auch ein Wechsel in eine Teilzeitausbildung kommt bei zeitlichen Problemen infrage. Für Betriebe sind neben den Agenturen für Arbeit auch die Kammern ansprechbar, um Ausbildungsstellen nachzubesetzen.

Literatur

Ahrens, Lea; Fischer, Melanie; Kleinert, Corinna; Schels, Brigitte (2021): Compromises in occupational choice and stability of vocational education and training. In: Nägele, Christof; Stalder, Barbara E.; Weich, Miriam (Eds.): Pathways in Vocational Education and Training and Lifelong Learning. Proceedings of the 4th Crossing Boundaries Conference in Vocational Education and Training, Muttenz and Bern online, 8. – 9. April (pp. 24–31). European Research Network on Vocational Education and Training, VETNET, University of Applied Sciences and Arts Northwestern Switzerland and Bern University of Teacher Education

BIBB-Datenreport zum Berufsbildungsbericht (2018): Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.): Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2018. Informationen und Analysen zur Entwicklung der beruflichen Bildung. Bonn 2018, Kapitel A5.6 Vorzeitige Lösung von Ausbildungsverträgen. – URL: https://www.bibb.de/datenreport/de/2018/86921.php

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