02.06.2022 | Redaktion

Wachsende Anforderungen

Situation des Ausbildungspersonals im Fokus einer neuen Studie

Betriebliche Ausbilderinnen und Ausbilder sind für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen ebenso entscheidend wie für die Arbeitsmarktchancen junger Menschen. In der Berufsbildungsforschung wurden sie bisher jedoch nur wenig systematisch berücksichtigt. Nun legt die Universität Erlangen-Nürnberg in Kooperation mit der IG Metall eine umfassende Studie vor. Darin zeigt sich, dass steigende und oft widersprüchliche Anforderungen beim Ausbildungspersonal zunehmend zu Belastungen führen. Zugleich mangelt es oft an betrieblichen Ressourcen und an Wertschätzung.

Titelseite der Studie

Das Ausbildungspersonal erlebt im Zuge einer sich wandelnden Arbeitswelt eine Potenzierung der Ansprüche an die Ausbildungstätigkeiten. Dabei stechen vor allem die pädagogischen Anforderungen hervor: Insgesamt 86 Prozent der Befragten sehen hier gestiegene Anforderungen. Bei Anforderungen inhaltlich-fachlicher Art sind es 75 Prozent, bei den didaktisch-methodischen Anforderungen 80 Prozent und bei den organisatorisch-administrativen sogar 83 Prozent.

Ausbilderinnen und Ausbilder erleben einen starken digitalen Wandel in ihren Unternehmen. Dabei zeigt sich ein klarer Zusammenhang mit dem Grad der Digitalisierung: In Unternehmen mit hohem Digitalisierungsgrad hat sich bei 25 Prozent der Befragten auch deren Arbeit sehr stark verändert, bei niedrigem Digitalisierungsgrad sind es nur fünf Prozent. Das Ausbildungspersonal versteht die eigene Rolle in der digitalen Transformation als höchst relevant. Trotz dieser Bedeutung für die digitale Transformation im Unternehmen werden Ausbilderinnen und Ausbilder zu gerade einmal knapp über 30 Prozent in Entscheidungsprozesse zur digitalen Entwicklung im Unternehmen einbezogen.

Qualifikationen und soziale Ressourcen

Um den Wandel zu bewältigen, sind neue Qualifikationen und damit Weiterbildungen des Ausbildungspersonals nötig. 57 Prozent der Befragten haben an Weiterbildungen teilgenommen, die sich spezifisch mit ihrer Tätigkeit befassten. Mehr als 60 Prozent der Ausbilderinnen und Ausbilder fühlen sich dadurch in allen Anforderungsbereichen gerüstet. Mindestens ein Drittel fühlen sich dagegen nicht ausreichend vorbereitet. Neben den qualifikatorischen spielen auch soziale Ressourcen eine wichtige Rolle. Eine zentrale Ressource, um den Herausforderungen zu begegnen, liegt für das Ausbildungspersonal intern und dabei vor allem im eigenen Team vor – hier stimmen 87 Prozent zu, dass sie in ihrer Tätigkeit unterstützt werden. Bei anderen Betriebsbereichen liegt die erfahrene Unterstützung noch bei 60 Prozent. Von externen Akteuren wie Bildungsträgern, Berufsschulen und Gewerkschaften wünschen sich die Befragten dagegen mehr Unterstützung.

Während das hauptamtliche Ausbildungspersonal sich ganz auf die Ausbildung im Betrieb konzentrieren kann, erleben nebenamtliche Ausbilderinnen und Ausbilder sowie ausbildende Fachkräfte ständig einen Rollenkonflikt zwischen den Ausbildungsanforderungen und ihrer eigentlichen Tätigkeit und müssen mit den unterschiedlichen und widersprüchlichen Anforderungen umgehen. Dies zeigt sich in Mehrarbeit ebenso wie in steigender emotionaler Belastung und zunehmender Arbeitsintensität. Immerhin 45 Prozent der Ausbilderinnen und Ausbilder haben durch gestiegene Anforderungen das Gefühl, nicht mehr nachzukommen. Dies wirkt sich auch auf die Qualität der Ausbildung aus. So müssen 45 Prozent der Befragten sehr häufig oder häufig Abstriche machen, um widersprüchliche Anforderungen miteinander zu vereinbaren.

Mangelnde Wertschätzung

Während die Wertschätzung aus Richtung der betrieblichen Organisation als teils deutlich defizitär erlebt wird (29 Prozent), erfährt das Ausbildungspersonal von den Auszubildenden sehr große Wertschätzung (95 Prozent). Mitgestaltungsmöglichkeiten werden als erlebte Wertschätzung verstanden. Hier erlebt das Ausbildungspersonal jedoch häufig ein Defizit: 50 Prozent der Befragten fühlen sich nicht rechtzeitig über Entscheidungen, Veränderungen oder Pläne informiert und 55 Prozent nicht ausreichend einbezogen. Insgesamt lässt sich sagen: Das Ausbildungspersonal zeigt sich angesichts von Herausforderungen wie dem digitalen Wandel motiviert und weiterbildungsengagiert, erlebt andererseits aber mangelnden Einbezug und geringe Wertschätzung von Unternehmensseite.

Mit Blick auf die Zukunft fällt das Fazit der Studie deshalb eher bedenklich aus: Steigende und sich potenzierende Anforderungen, mangelnde Ressourcen, Wertschätzung und Einbezug – das alles kann auf Dauer nicht mit Teamunterstützung, eigener Motivation und Wandelbereitschaft kompensiert werden. Mittel- und langfristig besteht die Gefahr von Motivationsverlust, nicht mehr kompensierbarer Folgen von Überlastung, Einbrüchen in der Qualität der Ausbildung und abnehmender Attraktivität des Arbeitsfeldes. Damit würde nicht nur Potenzial für dringend nötige Innovationen ungenutzt bleiben. Es würden auch die Chancen junger Menschen auf bestmögliche Ausbildung verringert und letztlich das System der dualen Ausbildung insgesamt geschwächt.