26.05.2021 | Redaktion

Soziale Arbeit am Limit?

Studie der Hochschule Fulda zeigt verschärfte Arbeitsbedingungen durch Corona

Der weit überwiegende Anteil von Einrichtungen der Sozialen Arbeit (89,8 Prozent) war während des zweiten Corona-Lockdowns geöffnet. Während die meisten Einrichtungen Einschränkungen ihres Angebotsspektrums vornehmen mussten, nahm die Nachfrage nach diesen Angeboten deutlich zu. Insgesamt stieg die Arbeitsbelastung, gemessen durch die Anzahl der Adressatinnen und Adressaten pro beschäftigter Person, erheblich. Dies sind Ergebnisse einer nicht-repräsentativen Befragung des Fachbereichs Sozialwesen an der Hochschule Fulda bei über 3.000 Beschäftigten.

Bild: Maurice Hüsni

Die Arbeitsbelastung hat sich auch durch die bereits vor der Corona-Pandemie angespannte Personalsituation - bedingt durch den Fachkräftemangel - weiter verschärft. Insgesamt wurden bei 11,1 Prozent der Befragten, erwartungsgemäß vor allem älteren Beschäftigten, ein ärztlich festgestelltes höheres Risiko für einen schweren Verlauf einer COVID 19-Erkankung attestiert. Nach den Erkenntnissen der Studie blieben die betroffenen Beschäftigten im Arbeitskontext jedoch oft ohne Unterstützung. So gaben 66,3 Prozent der Befragten an, dass man individuell oder im Team Maßnahmen zum Eigenschutz ergriffen habe. 18,4 Prozent mussten nach eigenen Angaben sogar ohne zusätzliche Schutzmaßnahmen arbeiten, weil der jeweilige Arbeitgeber ihnen keine andere Wahl gelassen habe.

Kritik an Schutzmaßnahmen

Trotz eigener Ansteckungsrisiken stoßen die angeordneten staatlichen Schutzmaßnahmen und trägereigene Vorgaben bei den Befragten auch auf erhebliches Unverständnis, weil sie aus deren Sicht dem Berufswissen und gängigen Standards widersprechen. 74,4 Prozent geben an, dass die Schutzmaßnahmen die eigene Arbeit negativ veränderten. In den offenen Antworten fokussieren die Befragten auf den Umstand, dass durch die Maßnahmen Adressatinnen und Adressaten verunsichert oder überhaupt nicht mehr erreicht würden. Im quantitativen Teil geben 38,6 Prozent der Befragten an, dass seit Ausbruch der Corona-Pandemie die Adressatinnen und Adressaten häufig oder sehr häufig Termine absagen – besonders in der Kinder- und Jugendhilfe. Dabei haben aus Sicht von gut drei Viertel der befragten Beschäftigten die Problemlagen der Adressatinnen und Adressaten während der Corona-Pandemie deutlich zugenommen (71,5 Prozent) und jede zweite Person geht darüber hinaus von einem gestiegenen Armutsrisiko aus (57,2 Prozent).

Bei der Kommunikation mit den Adressatinnen und Adressaten wird eine leichte Verschiebung deutlich: Waren die befragten Beschäftigten während des ersten Lockdowns, auch aufgrund von Schließungen, zu einer stark veränderten Kommunikation gezwungen, hat der Kontakt Angesicht zu Angesicht danach wieder zugenommen, auch weil bei 40,4 Prozent der Befragten die Adressatinnen und Adressaten über keine ausreichenden Möglichkeiten zur digitalen Kontaktaufnahme verfügen. Über alle Handlungsfelder hinweg ist gleichzeitig die Quote derjenigen gesunken, die keinen Kontakt mehr haben.

Mehr digitale Arbeit

Insgesamt ist die Arbeit aus Sicht der Befragten digitaler geworden und weniger im Bereich persönlicher Kontakte zu verorten. Von hoher Bedeutung für die Veränderung der Arbeitsweisen war auch im zweiten Lockdown das Homeoffice. Arbeiteten im ersten Lockdown noch rund 60 Prozent der Teilnehmenden zum Zeitpunkt der Befragung von zu Hause aus, waren im November und Dezember 2020 nur noch 6,9 Prozent der Befragten fest im Homeoffice tätig, 26,1 Prozent ab und zu sowie 66,7 Prozent gar nicht.

Nach der Corona-Pandemie rechnen die Befragten weiter mit zunehmenden Anforderungen an das eigene Arbeitsfeld. Dabei glauben 46,7 Prozent, dass die Belastung des jeweils eigenen Handlungsfeldes zukünftig steigt, während 44,8 Prozent von einer gleichbleibenden Belastung ausgehen. Während die Beschäftigten in den Handlungsfeldern der Kinder- und Jugendhilfe, der Arbeit mit Menschen in prekären Lebenslagen sowie mit Erwerbslosen und der Sozialen Arbeit in Schulen mehrheitlich von sich verschärfenden Bedingungen für die Zukunft ausgehen, rechnen die Angestellten in der Elementarbildung, der Sozialen Arbeit im Gesundheitsbereich und in der Arbeit mit Menschen mit Beeinträchtigung nicht mit grundlegenden Veränderungen für das eigene Handlungsfeld.

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