06.09.2022 | Redaktion | Bertelsmann Stiftung

Perspektiven für Geringqualifizierte

Befragung der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung und der Bertelsmann Stiftung

Steigende Qualifikationsanforderungen und zugleich rückläufige Jobperspektiven für Ungelernte: Aus der Sicht von Expertinnen und Experten aus verschiedene Bereichen der Berufsbildung wird es für Jugendliche mit niedriger Schulbildung immer schwieriger, ihren Weg in der Arbeitswelt zu finden. Das ergab eine Delphi-Befragung der Deutsche Kinder- und Jugendstiftung und der Bertelsmann Stiftung. Die Studie der Stiftungen will aber auch das Potenzial von Berufsorientierung und individueller Begleitung zeigen, um jungen Menschen Übergänge zu erleichtern.

Titelseite der Studie

Die zentrale Frage lautete: Wie steht es um die Ausbildungs- und Zukunftsperspektiven Jugendlicher mit niedriger Schulbildung in den kommenden zehn Jahren? Dazu haben über 100 Expertinnen und Experten ihre Einschätzungen eingebracht – zum Beispiel von Bildungsträgern, Ministerien, Arbeitgeberverbänden und Betrieben, aber auch aus dem Berufs- und Schulbereich oder der Agentur für Arbeit. Drei Fünftel (61 Prozent) von ihnen geht davon aus, dass die Beschäftigungsmöglichkeiten für Geringqualifizierte abnehmen werden. Über die Hälfte (53 Prozent) rechnet mit steigenden Qualifikationsanforderungen auch in Ausbildungsberufen, die für Jugendliche mit niedrigeren Schulabschlüssen relevant sind. Über 42 Prozent sehen das zumindest teilweise so kommen.

Berufsorientierung hat Verbesserungspotenzial

Eine große Mehrheit der Befragten (fast 90 Prozent) sieht in der schulischen Berufsorientierung Verbesserungspotenzial, um Übergangschancen zu erhöhen. Eine fast ebenso große Mehrheit der Befragten (83 Prozent) plädiert zu diesem Zweck für eine kontinuierliche und individuelle Begleitung von Jugendlichen. Aus Sicht der Autoren der Studie werden Jugendliche ohne Schulabschluss beziehungsweise mit einem Hauptschul- oder Ersten Schulabschluss (ESA) durch herkömmliche und standardisierte Angebote schulischer Berufsorientierung noch zu wenig erreicht. Sie empfehlen, die Berufsorientierung individueller, verbindlicher und praxisnäher zu gestalten – etwa durch eine bessere Zusammenarbeit von Schulen und Berufsschulen, eine gezieltere Ausbildung von Lehrkräften und die verstärkte Einbindung Eltern und Peers – sowie eine möglichst individuelle Begleitung und Beratung durch Berufs-/Übergangscoaches.

Flexibilisierung des Ausbildungssystems

Eine Flexibilisierung des Ausbildungssystems durch Modularisierung und Teilqualifikationen hält über die Hälfte (61 Prozent) der Befragten für "eher" bis "sehr wünschenswert" und weitere 25 Prozent für zumindest "teilweise wünschenswert". Eine Realisierung halten jedoch 60 Prozent für unwahrscheinlich. Aus Sicht der Autoren werden Betriebe jedoch zunehmend auch auf Auszubildende mit niedrigen Qualifikationen sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Teilqualifikationen angewiesen sein. Sie halten eine Flexibilisierung von Bildungs- und Qualifizierungsangeboten und von Schul- und Ausbildungszeiten für dringend geboten.

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