24.01.2022 | Redaktion | IAB

Corona: Ist diese Krise anders?

Analyse des IAB zur Situation von Jugendlichen in Europa

Wirtschaftliche Einbrüche haben für junge Menschen auf dem Arbeitsmarkt oft schwerwiegendere Folgen als für andere Altersgruppen. Eine Analyse des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) geht der Frage nach, wie sich die Corona-Krise im Vergleich mit der globalen Finanzkrise in den Jahren 2008 und 2009 auswirkt. Ein Blick auf die wirtschaftliche und soziale Situation von Jugendlichen in Deutschland und anderen europäischen Ländern liefert interessante Einblicke.

Bild: lettas/Adobe Stock

In ihrer Analyse beschreibt Regina Konle-Seidl die Auswirkungen von Covid-19 auf die Arbeitsmarktsituation, die Bildung und die psychische Gesundheit von jungen Menschen in Europa. Bei dem Vergleich mit der Finanzkrise geht es darum, die Wahrscheinlichkeit negativer Auswirkungen der Arbeitslosigkeit zu Beginn der beruflichen Laufbahn (sogenannte Scarring- oder "Vernarbungseffekte") auf die Erwerbschancen im weiteren Lebensverlauf auszuloten.

Die Jugendarbeitslosigkeit stieg in allen europäischen Ländern im zweiten Quartal 2020 und im ersten Quartal 2021 besonders stark: zwischen März und August 2020 von gut 15 Prozent auf fast 19 Prozent. Im April 2021 erreichte sie mit 18,5 Prozent einen erneuten Höchststand. Seitdem ist die saisonbereinigte Quote stetig gesunken. Im August 2021 lag sie bei etwa 16 Prozent – und damit immer noch höher als vor Ausbruch der Krise. Bislang liegt der Anstieg deutlich unter dem Niveau, auf dem sie sich während und nach der Finanzkrise 2008/2009 bewegt hatte. Dennoch unterscheiden sich die Arbeitslosenquoten bei Jugendlichen zwischen den Mitgliedstaaten nach wie vor stark. Besorgniserregend ist die Tatsache, dass Länder, die von der Finanzkrise besonders stark betroffen waren – etwa Griechenland, Italien oder Spanien –, während der Pandemie erneut einen überdurchschnittlichen Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit verzeichneten. In Deutschland ist die Jugendarbeitslosigkeit generell niedrig.

Kein klares Bild bei langfristigen Folgen

Die Schließung von Schulen und die eingeschränkten Möglichkeiten des berufsbegleitenden Lernens haben die verfügbare Lernzeit verkürzt – und damit auch die Chancen der Betroffenen, sich Kompetenzen anzueignen. Zugleich zeigen Erhebungen, dass Schulschließungen und Eindämmungsmaßnahmen auch das psychische Wohlbefinden junger Menschen stark beeinträchtigen. Deren Lebenszufriedenheit und Wohlbefinden sanken im Frühjahr 2021 auf einen Tiefpunkt. Zu dieser Zeit sahen sich fast zwei Drittel der Jugendlichen dem Risiko von Depressionen ausgesetzt.

Arbeitsplatzverluste und verkürzte Arbeitszeiten haben dagegen zu einem starken Rückgang des Arbeitseinkommens bei jungen Beschäftigten geführt. Es ergibt sich aber noch kein klares Bild darüber, ob sich die soziale Lage junger Menschen auch langfristig verschlechtert. Vermutlich dürften insbesondere junge Menschen aus marginalisierten Verhältnissen auch längerfristig unter den negativen Folgen von Arbeitslosigkeit, eingeschränkten Bildungschancen und schlechter psychischer Gesundheit leiden.

Langfristige negative Auswirkungen verhindern

Im Vergleich mit der globalen Finanzkrise zieht die Autorin aber ein vorsichtig optimistisches Fazit: "Es gibt Gründe zur Annahme, dass die negativen Folgen der Covid-19-Krise für die Beschäftigung junger Menschen weniger schwerwiegend sein könnten als die Folgen der globalen Finanzkrise, und dass die in den Jahren vor der Pandemie erzielten Fortschritte nicht völlig zunichtegemacht wurden. Anders als bei der Finanzkrise haben die nationalen Regierungen und die EU frühzeitig mit gezielten Fördermaßnahmen zugunsten der jungen Generationen reagiert und so die negativen Auswirkungen auf die Jugendarbeitslosigkeit gemildert."

Obwohl die langfristigen Auswirkungen auf die soziale Situation und das psychische Wohlbefinden junger Menschen noch ungewiss seien, könnten die Lernverluste aufgrund von Schulschließungen längerfristig zu großen Nachteilen führen. Die jungen Menschen verdienten auch dann noch die besondere Aufmerksamkeit der arbeitsmarktpolitischen Entscheidungsträger in ganz Europa, wenn sich Wirtschaft und Arbeitsmarkt wieder erholen. Es gelte zu verhindern, dass sich die Covid-19-Krise langfristig negativ auf Leben und Beschäftigung junger Menschen auswirkt.

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