15.06.2018

Rucksack für den Übergang

Das Aletta Haniel Programm rüstet Jugendliche für den Einstieg ins Berufsleben

von Michael Gräf

„You’ll never walk alone“ („Du gehst niemals alleine“), die bekannte Fußballhymne könnte auch das Motto des Aletta Haniel Programms (AHP)  in Duisburg sein. Schülerinnen und Schüler der Aletta-Haniel-Gesamtschule, die am Programm teilnehmen, werden von der 8. bis zur 10. Klasse durchgängig intensiv betreut - mit individueller Lernbegleitung, Förderunterricht, Sozialkompetenztraining, Berufsorientierungscamps und weiteren Hilfen, die den Übergang in eine Ausbildung oder einen höherwertigen Schulabschluss erleichtern sollen.

Klick zum VergrößernGesichert ausprobieren: Klettern ist ein fester Bestandteil der Berufsorientierungstage.                  Bild: AHP

Die Stadt Duisburg zählt sicher nicht zu den begünstigten Regionen in Deutschland. Sie wurde besonders hart vom Niedergang der Montanindustrie getroffen und befindet sich seit Jahrzehnten in einer finanziellen Krise - mit sehr geringen Spielräumen für sozial und kulturell wichtige Infrastrukturangebote. In der gerade erschienenen "Deutschland-Studie" des ZDF lag Duisburg auf Rang 399 von 401 deutschen Städten und Landkreisen. Die Arbeitslosenquote ist mit derzeit 11,8 Prozent die zweithöchste in der Metropolregion Ruhrgebiet. Trotz eines leichten Rückgangs in den letzten Monaten ist hier auch die Jugendarbeitslosigkeit besonders hoch. Das ist der Hintergrund für das Engagement der Haniel Stiftung, die das Programm im Jahr 2009 gemeinsam mit der Aletta-Haniel-Gesamtschule und der Stadt Duisburg zunächst als Pilotprojekt initiierte. Seither finanziert sie die Programmarbeit, die vom Kommunalen Integrationszentrum (KI) der Stadt Duisburg und der Gesamtschule durchgeführt wird, kontinuierlich und übernimmt außerdem die Koordination der drei Programmpartner.

Die problematische soziale Situation in einigen Stadtteilen Duisburgs spiegelt sich natürlich auch an der Gesamtschule. Nicht wenige Kinder und Jugendliche leben in belastenden Familienverhältnissen. So waren auch bei der Schülerin Anna F. (Name geändert) die Weichen für den Einstieg ins Berufsleben anfangs denkbar schlecht gestellt: Ihr Vater war alkoholabhängig und die Eltern mit ihrer Erziehung völlig überfordert. So kam Anna mit 12 Jahren ins Heim, lebte zeitweise bei ihrer Oma, dann wieder bei ihrem Vater. Zu ihrer ohnehin schwierigen Lebenssituation kamen Schuldgefühle, die ihr eingeredet wurden: "Wärst du ein ordentliches Kind, dann wärst du nicht ins Heim gekommen." In dieser Zeit gingen ihre Schulnoten in den Keller, obwohl sie vorher eine gute Schülerin gewesen war. Beim AHP fand sie die Unterstützung und Stabilisierung, die sie brauchte, um sich wieder besser auf die Schule konzentrieren zu können und sich auf die Zeit danach vorzubereiten. In der Dokumentation ihrer Programmteilnahme sind neben den Schul- und Freizeitaktivitäten mehr als 120 Entwicklungs- und Beratungsgespräche verzeichnet. So schaffte sie es bis zum Ausbildungsplatz als Erzieherin, ihrem Wunschberuf, und dankte den Pädagogen in einem Brief: "Dank der tollen Unterstützung bin ich fürs Leben gestärkt und glücklich."

Außergewöhnliche Rahmenbedingungen

Nicht alle teilnehmenden Schülerinnen und Schüler mündeten in den vergangenen Jahren in eine Berufsausbildung, bei vielen war das Ziel auch, sich für die Oberstufe zu qualifizieren. Bei denen, die tatsächlich einen Ausbildungsplatz anstrebten, lag die Erfolgsquote im Durchschnitt aber bei 58 Prozent. Gemessen an den individuellen Zielen gehen die beiden Pädagogen des Programms, Schewa van Uden und Tirapong Schier vom Kommunalen Integrationszentrum (KI) der Stadt Duisburg, von einer Erfolgsquote aus, die durchschnittlich bei 85 Prozent liegt. Einen Schulabschluss erreichte bisher jede(r) Jugendliche.

Das sind zunächst beeindruckende Zahlen; sie sagen etwas über die geleistete pädagogische Arbeit aus, aber sicher auch über die außergewöhnlichen Rahmenbedingungen des Programms. Durch die Haniel Stiftung ist eine kontinuierliche individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler über einen Zeitraum von jeweils drei Jahren gewährleistet. Mit ihrem Schwerpunkt "Bildungschancen schaffen und Integration gestalten" setzt sich die Stiftung für Kinder und Jugendliche mit schweren Startbedingungen ein. Dieser Förderschwerpunkt wurde im Jahr 2009 durch die Zustiftung eines Gesellschafters der Familie Haniel möglich. Für das Aletta Haniel Programm stehen so im Jahr 145.000 Euro zur Verfügung. "Wir entschieden uns damals, nicht mehrere Projekte, sondern ein größeres Projekt in Angriff zu nehmen", erläutert Dr. Rupert Antes, Geschäftsführer der Haniel Stiftung, "keine Startfinanzierung, sondern eine langfristige Förderung. Nur so können wir eine Verlässlichkeit für Partner und Zielgruppe schaffen." Schon jetzt steht fest, dass das AHP im kommenden Jahr in die dritte Programmphase eintreten wird. Damit ist die Förderung bis zum Jahr 2023 gesichert.

Jahr für Jahr werden bis zu 25 "Neulinge" in das Aletta Haniel Programm aufgenommen, ebenso viele verlassen es nach dem Abschluss. Neben der Kontinuität spielt auch die Nähe eine große Rolle: Schewa van Uden und Tirapong Schier haben ein Büro in der Schule, eine(r) der beiden ist dort ständig ansprechbar. Mit den Schülerinnen und Schülern wie mit den Lehrkräften sind durch die kurzen Wege immer direkte Kontakte und schnelle Absprachen möglich.

Prinzip der Freiwilligkeit

Ziel des Programms ist es, die schulischen Leistungen und die Sozialkompetenzen der teilnehmenden Schülerinnen und Schüler so zu verbessern, dass ihnen der schwierige Übergang ins Berufsleben möglichst gut gelingt. Die Arbeit mit den Teilnehmenden basiert ganz auf dem Prinzip der Freiwilligkeit. "Wir stellen das Programm in den einzelnen Klassen vor, und die Jungen und Mädchen können sich dann um die Teilnahme bewerben", berichtet Schewa van Uden. Ausgewählt werden vor allem diejenigen, die wegen ihrer schwachen Schulleistungen eine schlechte Prognose für den Schulabschluss haben, es werden aber bewusst auch einige leistungsstärkere Schülerinnen und Schüler aufgenommen, welche die leistungsschwächeren wie Zugpferde mitziehen können. "Wir würden gern alle Bewerber berücksichtigen, aber dann wäre eine so intensive Förderung nicht möglich", bedauert Schewa van Uden. Für die nötige Auswahl können die Lehrkräfte zwar Empfehlungen abgeben, es wird aber grundsätzlich niemand zur Teilnahme gedrängt. Jeweils Anfang März unterzeichnen die Ausgewählten dann eine gemeinsame Vereinbarung, in der sie ihren Willen zur Mitarbeit bekräftigen. In der ersten Zeit geht es dann vor allem darum, sich kennenzulernen und ein Vertrauensverhältnis aufzubauen, das für die weitere Arbeit unerlässlich ist.

Klick zum VergrößernSchülerinnen stellen die himmlischen und die höllischen Momente im Programm dar, in der Mitte die Lehrerin.                                            Bild: AHP

Die Basis der Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern ist die individuelle Lernbegleitung: Hier geht es zunächst einmal um die Vermittlung grundlegender sozialer Kompetenzen, die Stärkung des Selbstbewusstseins, das Erlernen lebenspraktischer Fähigkeiten (Telefonate führen, Termine vereinbaren, E-Mails verfassen), aber auch um die Unterstützung bei persönlichen und familiären Problemen und bei der Suche nach Praktikums- und Ausbildungsplätzen. In einem ganz ursprünglichen Sinn verfolgt das Projekt dabei einen ganzheitlichen Ansatz, denn die zentrale Frage lautet: In welcher persönlichen und Lebenssituation ist der/die einzelne Jugendliche eigentlich und was benötigt er/sie, um das gemeinsam vereinbarte Ziel zu erreichen?

Intensive Elternarbeit

Ein wichtiger Baustein ist hierbei die Elternarbeit, denn das Umfeld und vor allem die Eltern und Geschwister spielen ja oft eine entscheidende Rolle für den individuellen Bildungsverlauf. Mindestens einmal im Jahr werden die Eltern zu einem Informationsabend eingeladen, der dem gegenseitigen Kennlernen und später der Aufklärung über Bildungswege und Unterstützungsmöglichkeiten durch die Eltern dient. Daneben gibt es individuelle Beratungsgespräche, sofern diese nötig sind. Ebenfalls nach Bedarf besuchen die Pädagogen Kinder und Eltern zu Hause, etwa wenn besondere Probleme besprochen und gelöst werden müssen. Um den Berufsvorbereitungsprozess besser verstehen und unterstützen zu können, haben Eltern außerdem die Möglichkeit, an speziellen "Elterntrainings" teilzunehmen. Diese Kontakte sind wichtig, um die Unterstützung der Eltern zu gewinnen und einen gemeinsamen Nenner zu finden. Nicht selten machen die Pädagogen zum Beispiel die Erfahrung, dass Eltern die Leistungsfähigkeit ihrer Kinder falsch einschätzen. In diesem Fall ist eine Korrektur wichtig, denn bei Programmelementen wie der individuellen Lernbegleitung müssen die Ziele realistisch gesteckt werden.

Als Vertiefung der individuellen Lernbegleitung kann man das Sozialkompetenztraining verstehen, das in der 9. Klasse stattfindet und zu den berufsvorbereitenden Inhalten des Programms zählt. Hier geht es um Schlüsselqualifikationen für das Berufsleben wie Teamarbeit und Kommunikation, Konflikt- und Entscheidungsfähigkeit, aber auch die Stärkung der Eigenverantwortung: "Wenn es nötig ist, räumen wir den Jugendlichen Steine aus dem Weg", sagt Schewa van Uden, "aber vor allem möchten wir sie befähigen, sie selbst aus dem Weg zu räumen." So nehmen die Mädchen an der Veranstaltung "A Beautiful Day" teil, bei der sie sich mit der Wahrnehmung des eigenen Äußeren und ihrem eigenen Selbstbild befassen. Dabei geht es neben der Kleidung und dem Make-up auch um die nonverbale Kommunikation. Die Mädchen erproben ihre Wirkung auf ihr Gegenüber und vergleichen diese mit ihrer eigenen Einschätzung. Besonders auf Jungen zugeschnitten ist das "Empowerment und Coolness-Training", in dem sie die Stärkung ihrer Autonomie erfahren können. Sie lernen dabei, ihre ungenutzten Stärken zu entdecken und ihre Ressourcen in der Selbstfindung zu aktivieren.

"Wenn es nötig ist, räumen wir den Jugendlichen Steine aus dem Weg, aber vor allem möchten wir sie befähigen, sie selbst aus dem Weg zu räumen." - Schewa van Uden

 

Neben der individuellen Lernbegleitung und dem Sozialkompetenztraining gehört auch der Förderunterricht zu den absoluten "Basics" für alle Teilnehmenden. Im Anschluss an den regulären Unterricht werden sie von Lehramtsstudentinnen und –studenten, die an der Uni Duisburg für diese Unterstützung gewonnen wurden, in Kleingruppen betreut. So können sie ihre schulischen Leistungen Schritt für Schritt verbessern, und auch das "Aushilfs-Lehrpersonal" profitiert von diesem Engagement durch den Zugewinn an praktischen Erfahrungen. "Das alles findet ja in der Freizeit der Schülerinnen und Schüler statt", sagt Schewa van Uden. "Man kann es gar nicht hoch genug einschätzen, was sie selbst investieren, um diesen Weg mit uns gemeinsam zu gehen." Allein den Gewinn der Fähigkeit, drei Jahre lang gegen innere und äußere Widerstände bis zum Ende des Programms dabei zu bleiben, hält sie schon für einen wichtigen Erfolg, den die Teilnehmenden für sich verbuchen können.

Berufsorientierungscamps: spielerische Selbsterfahrung

Als Einstieg in die Berufsorientierung beginnt die Potenzialanalyse im AHP in der achten Klasse. Eine eigene Potenzialanalyse wurde seit dem Jahr 2010 durchgeführt; seit dem Schuljahr 2014/15 ist sie im Rahmen des NRW-Programms "Kein Abschluss ohne Anschluss" ohnehin Standardelement an den allgemeinbildenden Schulen, so dass die Pädagogen nun mehr Ressourcen in die anderen Bausteine einbringen können. Dazu gehört vor allem die Berufsorientierung selbst. Mit den "Berufsorientierungscamps" verfügt das AHP dabei über ein besonderes Instrument: ein zweitägiges Seminar, das einmal pro Schuljahr durchgeführt wird, also für jeden Schüler und jede Schülerin insgesamt dreimal. Die Inhalte sind deshalb auf ihre Altersstufen und ihre persönliche Reife abgestimmt - im achten Schuljahr geht es noch um allgemeinere Anforderungen wie Team-und Kommunikationsfähigkeit, im zehnten Schuljahr sind die Anforderungen konkreter auf das Berufsleben bezogen: "Umgang mit Stress", "Professionell Kommunizieren am Telefon und per Mail" oder etwa "Bewerbungstechniken" stehen auf dem Programm.

Klick zum VergrößernSeminar zur Vorbereitung auf das Praktikum und Berufsfelderkundung in der "Talent Company".  Bild: AHP

Bei den Berufsorientierungscamps setzen sich die Jugendlichen an einem neutralen Ort, angeleitet durch externe Referentinnen und Referenten, mit ihren Wünschen und Fähigkeiten sowie ihrer möglichen beruflichen Zukunft auseinander. Um die Effektivität der Übungen für die Teilnehmenden zu erhöhen, werden sie in zwei kleinere Gruppen mit etwa 12 bis 15 Schülerinnen und Schülern eingeteilt. Zwar gibt es in den zwei Seminartagen auch Vorträge, aber insgesamt überwiegen spielerische Elemente. So lautet der Titel eines Assessment Centers, bei dem es um Teamfähigkeit, Durchsetzungsvermögen und Arbeitsplanung geht, "Karibische Reise". Die Jugendlichen erhalten Zettel mit Aufgaben, die in der Gruppe zu lösen sind, und werden dann im Hinblick auf die Anforderungen beobachtet. Beim Spiel "Shopping Queen" kleiden sie sich für ein Vorstellungsgespräch ein. In ihrem selbstgewählten "Outfit" werden sie fotografiert, anschließend wird es gemeinsam diskutiert und bewertet. In Rollenübungen lernen sie, wie man die eigenen Stärken überzeugend vermittelt und sich angemessen verhält. Beim Bau eines Turms mit verschiedenen Materialien geht es um Strategien der Problemlösung in der Gruppe. Und bei den Interviews, welche die Jugendlichen in kooperierenden Unternehmen mit den dort Verantwortlichen führen, haben sie Gelegenheit zu einem spannenden Wechsel der Perspektiven und lernen gleichzeitig viel über Berufe und Aufgaben im Betrieb.

Stärkung der Selbstreflexion

Ein besonders wichtiger Aspekt ist bei solchen Übungen die Stärkung der Fähigkeit zur Selbstreflexion. So entwerfen die Teilnehmenden etwa eine "Mind Map" in der ihr gesamtes Umfeld und ihre Interessen erfasst und um ihr Ich herum angeordnet werden: Familie, Wohnen, Schule, Freizeit. Schon bei der Auflistung dessen, was ihr Alltagsleben ausmacht, lernen sie jede Menge über sich selbst. Wenn Jugendliche etwa beschreiben, dass sie jüngere Geschwister oder ein Familienmitglied mit Behinderungen betreuen oder auch nur angeben, welche Position sie beim Fußballspiel einnehmen, dann fördern die Pädagogen oft Fähigkeiten zutage, die diesen selbst gar nicht bewusst waren. "Die Jugendlichen beschäftigen sich meist gar nicht mit ihrer Biografie", berichtet Schewa van Uden, "wenn wir ihnen zeigen, was sie alles können, hören wir oft: 'Oh, ich dachte, das wäre ganz normal…'."

"Die Jugendlichen beschäftigen sich meist gar nicht mit ihrer Biografie. Wenn wir ihnen zeigen, was sie alles können, hören wir oft: ‚Oh, ich dachte, das wäre ganz normal…‘." - Schewa van Uden

 

Weitere Elemente des Programms sind die Praktikumsbetreuung und –begleitung, die alle Stationen von der Vorbereitung über die Durchführung bis zur Nachbereitung eines dreiwöchigen Betriebspraktikums umfasst, Betriebsbesichtigungen und Ausbildungsmessen und nicht zuletzt die gemeinsamen Freizeitaktivitäten, die für die emotionale Bindung an das Programm sorgen. Und schließlich sollen die Jugendlichen bei aller Disziplin, die sie ohnehin in ihrer Freizeit für die Teilnahme aufbringen, auch schlicht und einfach mal ohne Zweckbindung Spaß haben.

Netzwerkarbeit: wichtige Kontakte

Ein Baustein, der insofern aus den anderen herausragt, als er alle weiteren Bausteine entscheidend beeinflusst und fördert, ist die Netzwerkarbeit. Da sie die Chance haben, über einen langen Zeitraum kontinuierlich im und am Programm zu arbeiten, verfügen Schewa van Uden und Tirapong Schier über ein umfangreiches Netz an Kontakten zu städtischen und regionalen Institutionen, Schulen, Betrieben und Trägern. Mit vielen Projekten und Kooperationspartnern tauschen sie sich regelmäßig aus.

Im engeren Kreis der Steuerungsgruppe des Programms besprechen sie neue Entwicklungen und Probleme und lassen sich von Experten beraten, so zum Beispiel durch einen Rechtsanwalt zum Aufenthaltsstatus von Flüchtlingen. Zu diesem Kreis zählen unter anderem das Kommunale Integrationszentrum der Stadt Duisburg, die Gemeinnützige Gesellschaft für Beschäftigungsförderung (GfB), das Institut für berufliche Entwicklung (IMBSE), das Zentrum für Integrations- und Migrationsarbeit (ZIUMA e.V.) und die örtliche Industrie- und Handelskammer (IHK). Die Steuerungsgruppe bereitet auch die größeren Netzwerksitzungen vor, die viermal im Jahr stattfinden und dem Austausch aller Akteure und Interessierten dienen. Hier kommen dann unter anderem die Duisburger Jobcenter, das Jugendamt, die Uni Duisburg sowie Wohlfahrtsverbände, Schulprojekte, Bildungs-, Familien- und Jugendzentren hinzu.

Klick zum VergrößernBetriebsbesichtigung bei Siemens    Bild: AHP

Durch dieses Netzwerk funktioniert das Prinzip der kurzen Wege auch über die Schule hinaus, was Schewa van Uden in ihrer Arbeit sehr schätzt und bei Bedarf auch nutzt: "Taucht irgendwo ein Problem auf, zum Beispiel eine Schülerin oder einen Schüler betreffend, kann ich jederzeit zum Telefonhörer greifen und mit Hilfe meiner Kontakte nach einer Lösung suchen." Ihre Kooperationspartner sind auch gefragt, wenn es um die Zukunftsplanung und die Nachhaltigkeit der Programmarbeit geht. Derzeit gibt es Gespräche und Überlegungen zur Einrichtung eines Kompetenzzentrums, aber auch zur Übertragung von Programminhalten auf andere Schulen in Duisburg. Um dies zu erleichtern, haben sie und ihr Kollege ein Übertragbarkeitsmodell für die wichtigsten Elemente erarbeitet (siehe unten).

Die Mischung aus konzeptioneller Arbeit, Netzwerkarbeit und dem engen Kontakt zu "ihren" Schülern und Schülerinnen ist es, die der gelernten systemischen Beraterin an ihrem Beruf besonders gefällt: "Das Programm zu betreuen und kontinuierlich weiterzuentwickeln, ist eine sehr befriedigende Aufgabe. Am meisten Freude macht es mir aber, die Jugendlichen zu begleiten und wachsen zu sehen. Wir versuchen ihnen einen Rucksack mit Instrumenten mitzugeben, die sie im Übergang in Ausbildung und Beruf stärken, und freuen uns über jeden Erfolg."

"Wir geben den Jugendlichen einen Rucksack mit Instrumenten mit, die sie im Übergang in Ausbildung und Beruf stärken." - Schewa van Uden

 

Der "Werkzeugkasten" - ein Übertragbarkeitsmodell

Die Pädagogen des Aletta Haniel Programms haben wesentliche Programmbausteine zu einem Übertragbarkeitsmodell zusammengefasst, das neben einer Beschreibung des jeweiligen Konzepts weitere wichtige Angaben wie Zielgruppen, Kosten, Finanzierung und Qualitätssicherung enthält. An dieser Stelle bieten wir Ihnen einen kleinen Einblick in die Bausteine. Eine komplette Darstellung finden Sie in der Projektdokumentation, die das AHP herausgegeben hat.

Individuelle Lernbegleitung und Hilfen

Die individuelle Lernhilfe ist als loses Projektelement zu betrachten, die regelmäßig ausgeübt wird. Sie dient zur Unterstützung der Schülerinnen und Schüler (SuS) bei täglichen Herausforderungen, sei es Telefonate mit Unternehmen zu führen oder eine E-Mail zu verfassen. Ebenfalls werden die SuS kontinuierlich in ihrer Berufswahl gestärkt. Sie erhalten Unterstützung bei der Praktikumsplatzsuche sowie eine Betreuung während des Praktikums. Die individuelle Lernhilfe ist ein allzeit verfügbares Projektelement, das kontinuierlich über drei Jahre von den pädagogischen Mitarbeitern durchgeführt wird. Sie dient als Anlaufstelle wie auch als persönlichkeitsbildendes Element für die SuS.

Förderunterricht

Einer der Kerninhalte des Aletta Haniel Programms ist der Förderunterricht. Ziel dieses Projektelementes ist es, die schulische Leistung der SuS sukzessiv zu verbessern. Der Förderunterricht findet als eine Doppelstunde (pro Woche) im Anschluss an den regulären Unterricht statt. Die Jahrgänge bleiben dabei unter sich, so dass optimal auf das Leistungsniveau der SuS eingegangen werden kann. Der Förderunterrichtstag ist von dem jeweiligen Jahrgangsstundenplan abhängig. Um eine maximale Effektivität des Förderunterrichtes zu erreichen, werden die SuS in Kleingruppen (4-5 SuS) aufgeteilt. Diese werden dann von einem Förderlehrer betreut.

Potenzialanalyse

Einen Einstieg in die Berufsorientierung bietet die Potenzialanalyse (andernorts auch Kompetenz- oder Talentcheck genannt). Berufsbezogene Assessments unterstützen die Berufsorientierung junger Menschen gezielt zu einem frühen Zeitpunkt. Handlungsnah erkunden Jugendliche interessante Aufgaben aus unterschiedlichen Berufsfeldern in Einzel-, Gruppen- und Rollenübungen. Persönliche Talente und Entwicklungspotenziale werden den Teilnehmerinnen und Teilnehmern im Anschluss im ausführlichen Gespräch und mit Hilfe eines Profilzertifikats zurückgemeldet.

Sozialkompetenztraining

Das Sozialkompetenztraining gehört zu den persönlichkeitsbildenden Maßnahmen, welche die Soft Skills der SuS stärken. Dadurch sollen die SuS auf das Berufsleben vorbereitet werden. Das Seminar findet ausschließlich in der 9. Klasse statt und gehört zu den berufsvorbereitenden Maßnahmen. Das Training wird geschlechtersensibel durchgeführt. Die Trainingsinhalte befassen sich intensiv mit den Ansprüchen, die das Berufsleben künftig an die Jungen und Mädchen stellt. Im Seminar werden Fähigkeiten und Stärken, aber auch Ängste und Unsicherheiten der SuS reflektiert. Darauf aufbauend lernen sie, sich ihren Ängsten zu stellen und ihre Stärken besser zu nutzen.

Praktikumsbegleitung und Betreuung

Beim Praktikum in der 9. Klasse handelt es sich um eine schulische Maßnahme, die vom Aletta Haniel Programm begleitet wird. Das Praktikum dauert drei Wochen. Zu Beginn der 9. Klasse haben die SuS vier Monate Zeit, sich einen geeigneten Platz zu suchen. Bei der Bewerbung um einen Praktikumsplatz erhalten sie Unterstützung von den pädagogischen Fachkräften. Nach dem Praktikum werten die pädagogischen Fachkräfte des Aletta Haniel Programms das Praktikum mit den SuS aus. Diese stellen mit Unterstützung der Fachkräfte Kontakt zu den Betrieben her. Bei Bedarf werden Bewerbungsunterlagen für das Unternehmen erstellt. Die SuS werden auch auf das Vorstellungsgespräch vorbereitet und auf Wunsch zum Unternehmen begleitet.

Berufsorientierungscamps

Beim Berufsorientierungscamp handelt es sich um ein Projektelement, das einmal pro Schuljahr, von der 8. Klasse bis zur 10. Klasse fortlaufend, durchgeführt wird. Je nach Jahrgangsstufe ist der Schwerpunkt unterschiedlich gelegt. Ziel dieses Projektelementes ist, die SuS für das Thema Berufsorientierung zu sensibilisieren und die hierfür notwendigen Kompetenzen zu stärken, um die Ausbildungsreife zu erhöhen. Der nahtlose Übergang ins Berufsleben nach der 10. Klasse soll hiermit erleichtert werden. Beim Berufsorientierungscamp handelt es sich um ein zweitägiges Seminar. Um eine maximale Effektivität des Berufsorientierungscamps zu erreichen, werden die SuS in Kleingruppen (12-14 SuS) aufgeteilt.

Bewerbungstrainings

Das Ziel des Bewerbungstrainings ist es, die SuS auf die anstehenden Bewerbungsphasen in der 10. Klasse vorzubereiten. Bei dem Bewerbungstraining handelt es sich um ein Projektelement, das als Kompaktseminar zu einem fixen Termin angeboten wird. Unabhängig davon haben die SuS ganzjährig die Chance mit den pädagogischen Mitarbeitern Termine abzusprechen, um ein solches Coaching in Anspruch zu nehmen. Das Bewerbungstraining wird in der 9. Klasse von einem externen Dozenten als Seminar angeboten. In der 9. Klasse erarbeiten die SuS mit den Dozenten eine individuelle Bewerbungsmappe. Am Ende des Seminars erhalten sie ein vollständiges Exemplar ihrer selbst erstellten Bewerbungsmappe, die sie bei künftigen Bewerbungen einsetzen können.

Betriebsbesichtigungen und Ausbildungsmessen

Durch Betriebsbesichtigungen sollen erste praktische Einblicke in verschiedene Berufsfelder und Kontakte zu Betrieben gewonnen werden. Die Betriebe werden von den pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kontaktiert. Sowohl die Planbarkeit für die Betriebe als auch der enge Zeitplan der Schulen machen es zwingend nötig, dass die Besichtigungen mit einem Vorlauf von sechs Monaten geplant werden. Die Betriebsbesichtigungen richten sich an SuS der 9. Klasse. Durch die Besichtigungen erhalten sie einen besseren Einblick in die Arbeitsabläufe von  Unternehmen und lernen Ausbildungsberufe praktisch kennen.

Freizeitaktivität

Bei den Freizeitaktivitäten handelt es sich um ein Projektelement, welches die SuS auch emotional an das Programm bindet. Jeder Jahrgang nimmt zweimal pro Schuljahr an einer Freizeitaktivität teil. Um die Organisation des Schulalltages nicht zu stören, finden diese nach der Beendigung eines Schultages statt. Die Bandbreite der Aktivitäten reicht von Sport (Fußball, Badminton) bis zu kulturellen Veranstaltungen (Kino, Theater). Die SuS haben ein aktives Vorschlagsrecht und können demokratisch über mögliche Aktivitäten abstimmen. Dieses Projektelement dient auch zur Belohnung der SuS, um sie langfristig zu motivieren.

Elternarbeit

Die Elternarbeit ist eine zentrale Säule des Programmes. Das vorrangige Ziel ist das gegenseitige Kennenlernen von Eltern und den pädagogischen Fachkräften. Hierbei soll eine Bindung zu den Eltern aufgebaut werden. Die Elternarbeit besteht aus zwei Bausteinen: Infoabende sollen die Eltern aufklären, welche Bildungs- und Karrieremöglichkeiten für ihre Kinder bestehen. Für jeden Jahrgang wird einmal pro Schuljahr ein solcher Informationsabend für die Elternschaft angeboten. Der zweite Baustein der Elternarbeit sind die Hausbesuche, die ebenfalls regelmäßig durchgeführt werden. Dies kann der Fall sein, wenn akuter Handlungsbedarf besteht oder als Präventivmaßnahme gegen schlechter werdende Leistungen in der Schule.

Netzwerkarbeit

Das Projektelement Netzwerkarbeit gehört zu den kontinuierlichen Aufgaben des Aletta Haniel Programms. Durch die Netzwerkarbeit entsteht ein reger Austausch zwischen den Akteuren im Bildungsbereich, welcher den SuS zu Gute kommt. Ziel dieses Projektelementes ist es, eine enge Bindung zwischen allen Beteiligten der Förderlandschaft herzustellen und von Erfahrungen anderer Vereine und Projekte zu profitieren. Da an der Aletta-Haniel-Gesamtschule vielfältige Projekte fest verankert sind, kann aufgrund der Schwerpunkte der Projekte ressourcenschonend gearbeitet werden. Die Fachkräfte besprechen sich in Teamsitzungen miteinander.

Weitere Informationen

  • Stadt Duisburg: Aletta Haniel Programm
    Die zweite Phase des Projektes endete 2018. Aufgrund der erzielten Ergebnisse entschieden sich die Kooperationspartner für die Verlängerung des Projekts bis 2023.