17.12.2019 | Redaktion | WZB

Ausschütten statt Investieren

Was der Shareholder Value für unser Ausbildungssystem bedeutet

Der Großteil der beruflichen Ausbildung in Deutschland findet in börsennotierten Unternehmen statt. Wie eine Studie des Wissenschaftszentrums Berlin (WZB) zeigt, sind in vielen dieser Unternehmen in den vergangenen Jahren Ausbildungsplätze verloren gegangen. Nicht börsennotierte Unternehmen, die in der Studie untersucht wurden, haben die Anzahl ihrer Ausbildungsplätze hingegen erhöht.

Bild: Dan Race/Adobe Stock

Im Zeitverlauf ist ein Rückgang der Ausbildungszahlen bei den Unternehmen, die an der Börse notiert sind, zu erkennen: 2006 und 2007 gab es hier noch ca. 85.000 Auszubildende, 2016 und 2017 waren es weniger als 80.000. Gleichzeitig gibt es mittlerweile mehr Ausbildungsplätze bei den hier betrachteten nicht börsennotierten Unternehmen: 2006 und 2007 waren es etwas mehr als 25.000; 2016 und 2017 lagen die Zahlen bei über 30.000. Damit wurde annähernd die gleiche Anzahl der Ausbildungsplätze im Bereich der nicht börsennotierten Unternehmen auf- wie in den börsennotierten abgebaut. Das ist mit Blick auf die Größenunterschiede der Unternehmen bemerkenswert.

Langfristige Ausbildung, kurzfristige Gewinnausschüttung

Bei den börsennotierten Unternehmen besteht nach den Erkenntnissen der Studie eine Diskrepanz zwischen der beruflichen Ausbildung und der Aktienmarktorientierung. Grundsätzlich ist die berufliche Ausbildung langfristig orientiert. Sie dauert in der Regel drei Jahre. Hinzu kommt die Übernahme vieler Auszubildender: 2017 lag die Übernahmequote deutschlandweit insgesamt bei 74 Prozent; in Unternehmen mit 500 oder mehr Beschäftigten sogar bei 83 Prozent. Die Kapitalmarktorientierung ist hingegen von kurzfristigen Entscheidungen getrieben, etwa durch die Quartalsberichterstattung oder teilweise sogar quartalsweise Gewinnausschüttungen. Die börsennotierten Unternehmen stehen daher vor der Herausforderung, mehrjährige Ausbildungszyklen mit unterjährigen Ergebniszielen in Einklang zu bringen.

Unternehmen, die der Kapitalmarktlogik unterliegen, investieren zunehmend weniger in die duale Ausbildung. Die Strategie, bereits fertig ausgebildete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu rekrutieren statt auszubilden, kann aus Sicht der Autorinnen und Autoren der Studie aber langfristig keine Lösung sein. Das gehe zulasten der kleinen und mittleren Betriebe, der volkswirtschaftlichen Beschäftigung, des generellen Bildungsniveaus und damit der Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung insgesamt.

Weitere Informationen

  • WZB: WZBrief Arbeit 23, Dezember 2019 (PDF)
    Für die Studie wurden 62 börsennotierte und 68 nicht börsennotierte Unternehmen mit insgesamt etwa 100.000 Auszubildenden und 4,94 Mio. Beschäftigten weltweit bzw. 2,26. Mio. in Deutschland untersucht.