06.12.2022 | Redaktion | Hans-Böckler-Stiftung

Vorurteile mit gravierenden Folgen

Studie der Hans-Böckler-Stiftung zu Benachteiligungen bei Ausbildungsplatzsuche

Jugendliche mit Migrationshintergrund und werden bei der Bewerbung um einen Ausbildungsplatz benachteiligt. Sie sind häufig mit Zweifeln an ihrer Eignung konfrontiert, die auf Vorurteilen beruhen. Das zeigt eine Studie, die die Hans-Böckler-Stiftung in Auftrag gegeben hat. Diese Vorurteile haben dramatische Folgen für die Betroffenen: Ihr gesamter weiterer Lebensweg wird dadurch erschwert. Auch aus unternehmerischer Sicht ist es offenbar ein Fehler, Bewerberinnen und Bewerbern aufgrund ethnischer Zuschreibungen abzusagen – gerade in Zeiten des Fachkräftemangels.

Glockturm, Sitz der Stiftung in Düsseldorf    Bild: Hans-Böckler-Stiftung

Sophie Krug von Nidda und Janina Söhn haben im Auftrag der Stiftung untersucht, wie Entscheidungen zur Besetzung von Ausbildungsplätzen zustande kommen. Auswertung von Daten und Befragungen ergaben, dass Teampassung und Sprache bei der Auswahl besonders wichtig sind. Vor allem in Betrieben, die nach eigenen Angaben starken Wert darauflegen, dass Neue zum bestehenden Team passen, werden Bewerberinnen und Bewerber mit Migrationshintergrund und Hauptschulabschluss benachteiligt. In diesen Betrieben haben sie gegenüber Jugendlichen mit vergleichbarer Schulbildung, aber ohne Migrationshintergrund, ein um durchschnittlich 24 Prozentpunkte erhöhtes Risiko, nicht angenommen zu werden. Diese "ethnische Differenz" macht bei Jugendlichen, die sich bei anderen Firmen beworben haben, nur 18 Prozentpunkte aus. Insgesamt halten 65 Prozent der befragten Betriebe Teampassung für sehr wichtig.

Auch in den Interviews mit Personalverantwortlichen wird deutlich, dass die Herkunft im Auswahlverfahren eine Rolle spielt. Zwar betonen sie, dass alle Bewerberinnen und Bewerber gleichbehandelt würden. An verschiedenen Stellen werde jedoch deutlich, dass die Ethnizität sehr wohl von Bedeutung ist, schreiben die Wissenschaftlerinnen. So äußert beispielsweise einer der Befragten: "Also, wo wir auch natürlich immer ein bisschen aufpassen müssen, ist, wenn wir zu viele Menschen einer Nationalität in einer Filiale haben, und die Filialleitung spricht die Landessprache nicht." Auch wenn es darum geht, ob die Bewerber und Bewerberinnen mutmaßlich zur Kundschaft, zu Leitungspersonen oder ins Team passen, scheinen ethnische Zuschreibungen durch: "Also ich stelle ja auch Leute aus Syrien, aus dem Iran und Ähnliches, Afghanistan ein, aber ich kann nicht nur afghanische Männer einstellen. Wirklich nicht. Die lassen sich von unseren Frauen nichts sagen."

Entscheidungskriterien bewusst machen

Für Menschen, die eine Hauptschule besucht haben, ist die duale Ausbildung nahezu die einzige Möglichkeit, einen Berufsabschluss und damit die Basis für eine dauerhafte Integration in den Arbeitsmarkt zu erlangen. Gerade Betriebe, die noch keine Erfahrungen mit Auszubildenden mit Migrationshintergrund haben, sollten die Ergebnisse neuerer Studien dazu ermutigen, sie einzustellen, so Söhn und Krug von Nidda. Firmen, die bereits Jugendliche aus Zuwandererfamilien ausgebildet haben, beurteilten diese Erfahrung meistens positiv. Sie stellten nur sehr selten Probleme mit der deutschen Sprache fest. Wer für die Einstellung von Auszubildenden verantwortlich sei, solle sich die Grundlagen der eigenen Entscheidung bewusst machen beziehungsweise auf "strukturelle, nicht intendierte Ausschlussprozesse im Auswahlverfahren" achten.

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