25.05.2022 | Redaktion | IAB

Geduldete Menschen integrieren

Analyse des IAB zur Ausbildungs- und Arbeitsmarktintegration

In Deutschland lebten Mitte 2021 knapp 243.000 Menschen, die aufenthaltsrechtlich lediglich geduldet waren. Die neue Bundesregierung will ihnen den Übergang in sichere Aufenthaltstitel erleichtern – sofern es den Betroffenen gelingt, am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Die Arbeitsverwaltung ist aus Sicht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) daher mehr denn je gefordert, ihre Erwerbsintegration in geeigneter Weise zu unterstützen. Dies kann nach der Analyse des IAB auch dazu beitragen, den hohen Personalbedarf der Betriebe zu decken.

Bild: highwaystarz/Adobe Stock

Einen Zugang zum Ausbildungs- und Arbeitsmarkt haben bislang nur Geduldete, deren Identität als geklärt gilt. Menschen mit einer "Duldung für Personen mit ungeklärter Identität" sind von betrieblicher Ausbildung und Erwerbsarbeit ausgeschlossen. Davon waren im Juni 2021 etwa 22.000 Menschen betroffen. Die neue Bundesregierung formuliert in ihrem Koalitionsvertrag das Vorhaben, diesen speziellen Duldungstitel abzuschaffen. Arbeitsverbote für Eingewanderte, die bereits in Deutschland leben, sollen allgemein abgeschafft werden. Diese Maßnahmen würden es insgesamt mehr geduldeten Menschen erlauben, eine Ausbildung oder eine Beschäftigung aufzunehmen. Darüber hinaus will die Bundesregierung die Bleibeperspektiven für Menschen mit Duldung unter bestimmten Voraussetzungen verbessern.

Rechts- und Planungssicherheit schaffen

Bislang verbleiben junge Menschen, die eine betriebliche Ausbildung aufnehmen konnten, während der Ausbildung im unsicheren Duldungsstatus, oftmals in der sogenannten Ausbildungsduldung. Im Juni 2021 waren dies gut 8.000 Auszubildende. Diesen will die Bundesregierung in Zukunft bereits während der Ausbildung den Aufenthalt erlauben. Darüber hinaus ist geplant, die Beschäftigungsduldung, die bislang für 30 Monate erteilt wird, zu entfristen sowie ein "Chancen-Aufenthaltsrecht" einzuführen. Es soll die bisherige Praxis der Kettenduldungen ablösen, die für Betroffene wie Betriebe hohe Unsicherheit schafft. Dies soll Auszubildenden wie Betrieben mehr Rechts- und Planungssicherheit verschaffen.

Für "gut integrierte Jugendliche und Heranwachsende" im Alter von bis zu 21 Jahren, die in Schule und Ausbildung sind, sieht das Aufenthaltsgesetz bereits jetzt Möglichkeiten vor, aus der Duldung in eine Aufenthaltserlaubnis zu wechseln. Hier soll die notwendige Voraufenthaltsdauer in Deutschland von bislang vier auf drei Jahre verkürzt und die Altersgrenze auf 27 Jahre erhöht werden. Keine Altersbegrenzung besteht laut § 25b des Aufenthaltsgesetzes für Menschen mit Duldung und "nachhaltiger Integration". Auch sie können eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Neben Deutschkompetenz und dem Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung ist die eigenständige Sicherung des Lebensunterhalts eine wichtige Voraussetzung. Hier plant die neue Bundesregierung eine Absenkung der Voraufenthaltsdauer von bislang acht Jahren auf sechs Jahre und im Falle von Familien von sechs auf vier Jahre.

Langfristige Bleibeperspektive

Mit einer befristeten Aufenthaltserlaubnis ist rechtlich der Weg zu einer langfristigen Bleibeperspektive in Deutschland eröffnet: Ihr kann derzeit nach frühestens drei Jahren Aufenthalt die unbefristete Niederlassung und nach mindestens acht Jahren Aufenthalt die Einbürgerung folgen. Diese Voraufenthaltsfristen will die Bundesregierung ebenfalls verkürzen. Bei erfolgreicher Arbeitsmarktintegration können also ehemals Geduldete die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen. Dem Arbeitsmarkt stünden damit langfristig wertvolle Fach- und Arbeitskräfte zur Verfügung. Junge Menschen mit Duldung haben aus Sicht des IAB das Potenzial, den Ausbildungsbedarf der Betriebe zumindest teilweise zu decken. Dazu bedürfe es aber nicht nur der Anstrengung der Betroffenen, sondern weiterer Akteure wie Betriebe, Berufsschulen und Ausländerbehörden. Auch Agenturen für Arbeit und Jobcenter seien hier gefordert: "Die Arbeitsverwaltung ist nun stärker denn je gefordert, die Menschen bestmöglich bei der Integration in Ausbildung und Arbeitsmarkt zu unterstützen."

Junge Menschen mit Duldung, die eine berufliche Ausbildung anstreben, seien bei ihrer beruflichen Orientierung und bei ihrer Suche nach Ausbildungsstellen von den Agenturen für Arbeit zu unterstützen. Bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen könnten sie an ausbildungsvorbereitenden Maßnahmen wie der betrieblichen Einstiegsqualifizierung sowie an ausbildungsbegleitenden Maßnahmen wie der assistierten Ausbildung teilhaben.

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