02.09.2020 | Redaktion | IAB

Frauen haben geringere Chancen

IAB untersuchte Integration und Teilhabe von Geflüchteten

Bei den sozialen und ökonomischen Integrations- und Teilhabechancen von geflüchteten Männern und Frauen gibt es ein deutliches Gefälle. Dies zeigt der Forschungsbericht "Geflüchtete Frauen und Familien" des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Das gleichnamige Forschungsprojekt untersucht die besonderen Umstände von Flucht und Integration. Ziel ist es, das bisher beschränkte systematische Wissen über die Lebenslagen von geflüchteten Frauen, Kindern und Jugendlichen in Deutschland zu erweitern.

Bild: Fotofreundin/Adobe Stock

Obwohl sich die Bildungsabschlüsse von Frauen besonders im oberen Bildungssegment nur wenig von Männern unterscheiden, gehen sie bedeutend seltener einer Erwerbstätigkeit nach als Männer. Die Gründe dafür sind vielschichtig: Der Anteil von Frauen mit Berufserfahrung in den Herkunfts- und Transitländern ist mit rund einem Drittel etwa halb so hoch wie der von Männern. Geflüchtete Frauen sind stärker als Männer von gesundheitlichen Beeinträchtigungen betroffen, insbesondere der psychischen Gesundheit. Außerdem nehmen Frauen insgesamt seltener als Männer an Deutschsprachkursen, schulischer und beruflicher Bildung sowie anderen Integrations- und Qualifizierungsmaßnahmen teil. Die Familienkonstellation, vor allem die Betreuung von Kindern, beeinträchtigt sowohl die Chancen auf Partizipation in Sprach- und Integrationsprogrammen als auch die Arbeitsmarktintegration.

Frauen partizipieren insgesamt sehr viel seltener an verschiedenen Formen der Bildung, wenn sie mit ihren Partnern und/oder Kindern in gemeinsamen Haushalten leben. Das ist bei Männern nicht der Fall: Zum einen wird die Betreuung und Versorgung von Kindern und anderen Familienangehörigen überwiegend von Frauen geleistet, zum anderen begünstigen Entscheidungen über Bildungsinvestitionen im Familienkontext eher die Männer.

Fluchtrisiken und Familienstruktur

Der Forschungsbericht zeigt, dass sich die Familienstruktur von Frauen und Männern mit Fluchthintergrund stark unterscheidet – Frauen leben in der Mehrheit mit ihren Familien in Deutschland, während über die Hälfte der Männer zumindest zunächst als Alleinstehende nach Deutschland kommen. Drei Viertel der erwachsenen Frauen sind Mütter, aber nur ein Drittel der erwachsenen Männer sind Väter.

Dies steht im Zusammenhang mit den Risiken und Umständen der Flucht. Mehr als zwei Fünftel der Geflüchteten berichten von (potenziell) traumatischen Erlebnissen auf der Flucht wie körperliche und sexuelle Gewalt, willkürliche Gefängnisaufenthalte, Raub und Betrug. Ein Fünftel der Menschen, die über die Seerouten nach Deutschland gekommen sind, hat auf dem Weg nach Europa Schiffbruch überlebt. Weil Frauen und Kinder auf der Flucht sehr viel verwundbarer sind als Männer, fliehen sie in der Regel im Familienverband oder folgen Männern, die bereits geflüchtet sind, auf sichereren Routen nach.

Mehr als zwei Fünftel der Geflüchteten berichten von traumatischen Erlebnissen auf der Flucht: körperliche und sexuelle Gewalt, willkürliche Gefängnisaufenthalte, Raub und Betrug.

 

Krieg, Verfolgung und Vertreibung sowie die Risiken der Flucht haben nicht nur die Zusammensetzung der Flüchtlingsbevölkerung in Deutschland beeinflusst, sondern auch das gesundheitliche Wohlbefinden der geflüchteten Frauen und Männer. Der Gesundheitszustand von Geflüchteten ist insgesamt schlechter als im Durchschnitt der in Deutschland lebenden Bevölkerung gleichen Alters. Das betrifft insbesondere psychische Erkrankungen. Depressionen, Angststörungen und posttraumatische Belastungsstörungen treten sehr viel häufiger auf als im deutschen Bevölkerungsdurchschnitt. Davon sind geflüchtete Frauen sehr viel stärker als geflüchtete Männer betroffen.

Weitere Informationen

  • IAB: Forschungsbericht 9/2020
    Das Forschungsprojekt "Geflüchtete Frauen und Familien" untersucht die Umstände der Flucht und der Integration von geflüchteten Frauen und Familien auf Basis der IAB-BAMF-SOEP-Befragung.