24.11.2023 | Redaktion | bpb

Das Konzept des "Digital Streetwork"

Bundeszentrale für politische Bildung zur aufsuchenden Jugendsozialarbeit im Netz

Die Lebenswelt Jugendlicher spielt sich zunehmend im digitalen Raum ab. Auf Social-Media- und Gaming-Plattformen verhandeln junge Menschen alles, was sie beschäftigt oder beunruhigt. An dieser Lebenswirklichkeit setzt das Konzept der Digital Streetwork an. Als Weiterentwicklung der bisher bekannten Straßensozialarbeit folgt Digital Streetwork dem Prinzip der aufsuchenden Sozialarbeit und bietet soziale Hilfen dort an, wo junge Menschen sich in ihrer Freizeit aufhalten. In einem Beitrag für die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) informiert Philine Janus über das Konzept.

Bild: Mel Wilken/Lizenz: CC BY-SA 4.0 DEED

Laut der JIM-Studie 2022 verbringen junge Menschen im Alter zwischen 12 und 19 Jahren durchschnittlich mehr als dreieinhalb Stunden pro Tag im Internet. Viele Jugendliche unterscheiden nicht zwischen digitalen und analogen Räumen – beide sind für sie Orte der Sozialisation, der Identitätsbildung und der Information. Alles, was Jugendliche beschäftigt, interessiert oder beunruhigt, wird neben dem analogen auch im digitalen Raum verhandelt. Oft fällt es ihnen im digitalen Raum leichter, über ihre Probleme zu sprechen. Daher verlagert sich auch die aufsuchende Straßensozialarbeit (Streetwork) zum Teil ins Digitale. Auf diese Weise sollen junge Menschen erreicht werden, die von offenen Angeboten wie Jugendzentren nicht angesprochen werden.

Projekt "Digital Streetwork" – Beratungs- und Beziehungsarbeit

Das Projekt "Digital Streetwork" des Bayerischen Jugendrings, das vom Sozialministerium des Landes gefördert wird, ist unter anderem auf Instagram, TikTok, Twitch und Discord präsent. Der Tätigkeitsschwerpunkt liegt auf der Beratungs- und Beziehungsarbeit. Die Digital Streetworker gehen öffentlich auf Kommentare ein und bieten Einzelberatungen in Chats an, etwa wenn Jugendliche schreiben, dass es ihnen schlecht geht oder dass sie Probleme mit ihrer Ausbildung haben. Zentral sind dabei Transparenz und Freiwilligkeit. Kooperationen mit den Plattformen und Kennzeichnungen der Digital Streetworker sind hilfreich für das Etablieren der Angebote.

Projekt "pre:bunk" – präventiv gegen Desinformation auf TikTok

TikTok wird oft nur mit Tanzvideos in Verbindung gebracht, doch finden dort wichtige Debatten und Meinungsbildungsprozesse statt. Das von der Bundeszentrale für politische Bildung geförderte Projekt pre:bunk der Amadeu Antonio Stiftung produziert Videos, die sich mit Desinformation auseinandersetzen, und lädt sie bei TikTok hoch. Junge Menschen sollen so in die Lage versetzt werden, Falschinformationen frühzeitig zu erkennen. "Prebunking" ist ein präventiver Ansatz, während es beim "Debunking" um ein nachträgliches Entlarven von Desinformationen geht, etwa durch Faktenchecks. Beim Projekt "pre:bunk" geht es außerdem darum, das Gefühlschaos zu reflektieren, das verstörende Inhalte auslösen können.

Plädoyer für hybride Konzepte

Digital Streetwork stellt eine wichtige Weiterentwicklung der herkömmlichen Jugendsozialarbeit dar, kann und möchte diese aber nicht ersetzen, sondern nur in den digitalen Raum verlängern. Erstansprachen im Netz können Brücken zu analogen Angeboten schlagen, zum Beispiel bei der Frage nach Therapieplätzen. Auch bei Beratungen zu sensiblen Themen wie Trauer oder Strafverfolgung kann eine Verlagerung in den analogen Raum von Vorteil sein.

Christina Dinar, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der katholischen Fachhochschule Berlin und am Leibniz-Institut für Medienforschung in Hamburg, hat den Begriff "Digital Streetwork" durch ein Projekt im Jahr 2015 mitgeprägt. Sie plädiert für hybride Konzepte und eine enge Zusammenarbeit von Digital Streetwork mit Präsenzangeboten. Dies biete die Möglichkeit, sensible Informationen und Beratungen zu Themen wie Schulden oder Strafverfolgung nicht im Chat zu verhandeln, sondern auf ein analoges Gespräch auszuweichen. Die Schnittmenge der digitalen und der "klassischen" Streetwork sieht Christina Dinar in der schwierigen Erreichbarkeit der Zielgruppe. Denn beide Ansätze eint, dass sie genau jene jungen Menschen erreichen wollen, die gewissermaßen "durchs System fallen", weil sie von offenen Angeboten wie Jugendzentren und Co. nicht angesprochen werden.

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