21.06.2022

Chancen brauchen Initiative!

Möglichkeiten und Grenzen der Öffnung der Teilzeitberufsausbildung

von Marithres van Bürk-Opahle und Victoria Schnier

Die Ausbildung in Teilzeit ist seit Beginn des Jahres 2020 für alle Personengruppen als Möglichkeit einer regulären Ausbildung eröffnet worden. Mit den Hauptausschussempfehlungen des BIBB erhalten diese Änderungen im Gesetz Hinweise zur Umsetzung und Handhabung in der Praxis. Sie werden mit beispielhaften Rechnungen zur Verlängerung der Ausbildungsdauer, die mit der Teilzeitausbildung zunächst einhergeht, versehen. Gleichzeitig sind hier auch, zum Beispiel für die bisherigen Zielgruppen der Familiensorgenden, die Möglichkeiten einer Verkürzung der Ausbildungsdauer aufgezeigt. Insbesondere für diese Gruppe von Ausbildungsinteressierten ist der zeitlich absehbare Übergang in eine existenzsichernde Beschäftigung wichtig. Insofern ist vor allem die Planungssicherheit von Bedeutung für die Entscheidung, überhaupt eine Ausbildung anzuvisieren. Ein Jahr nach den Empfehlungen des Hauptausschusses blicken Marithres van Bürk-Opahle (Re/init e.V.) und Victoria Schnier (G.I.B. NRW) stellvertretend für das Bundesweite Netzwerk Teilzeitberufsausbildung auf die bisherige Praxis der Anwendung der Neuregelungen und den damit verbundenen Regelungen für Ausbildungsinteressierte mit unterschiedlichen Voraussetzungen.

Teilzeitausbildung ist für alle möglich!?

Bild: ViDi Studio/Adobe Stock

Die seit 2005 im Berufsbildungsgesetz (BBiG) verankerte Möglichkeit einer Teilzeitausbildung für besondere Personengruppen ist zu Beginn des Jahres 2020 mit der Novellierung für alle Interessierten ausgeweitet worden. Im Fokus der Diskussion zu den Änderungen waren hierbei insbesondere Menschen mit Behinderung, die eine reguläre Ausbildung anstreben und Menschen mit Fluchthintergrund, die während der Ausbildung noch Sprachkurse zur Erweiterung ihrer Deutschkenntnisse besuchen. Mit der Gesetzesänderung haben nun nicht mehr nur angehende Auszubildende mit "berechtigtem Interesse" die Möglichkeit, eine Ausbildung in Teilzeit zu absolvieren, sondern alle Personen, die eine Teilzeitausbildung einer Ausbildung in Vollzeit vorziehen.

Vor dieser Regelung war die Ausbildung in Teilzeit insbesondere für Menschen mit Familienverantwortung von besonderem Interesse, da diese die Herausforderungen einer erneuten Erwerbs- und Ausbildungsorientierung – zum Teil nach längeren Familienphasen – durch diese Möglichkeit überhaupt in Betracht ziehen. Mit der Novellierung sollte diese Möglichkeit auch für weitere Zielgruppen interessant und praktikabel werden.

Ob sich die Öffnung der Teilzeitberufsausbildung auch in einem konkreten Zuwachs an Zahlen niederschlägt, kann nach aktuellem Stand noch nicht abschließend beurteilt werden. Die letzten Daten weisen darauf hin, dass sich der Anteil der Berufsausbildungen in Teilzeit noch nicht erhöht hat, er liegt für das Jahr 2020 – also dem Jahr, in dem die Veränderungen wirksam wurden – bundesweit nach wie vor bei 0,4 Prozent (in 2020).(1) Auch aus der Beratungspraxis und Unternehmensakquise in NRW sowie auch im Kontext des Bundesweiten Netzwerks Teilzeitberufsausbildung kann berichtet werden, dass die Möglichkeiten der Teilzeitausbildung insgesamt noch nicht flächendeckend bekannt sind oder genutzt werden.

Verkürzungsgründe für Familiensorgende in der Praxis wenig verbreitet

Vor der Gesetzesnovelle war es gängige Praxis, dass Teilzeitauszubildende bei einer wöchentlichen Stundenzahl von insgesamt 25 Stunden (inkl. vollzeitäquivalenter Berufsschulanteile) in der Regel keine Veränderung der Ausbildungsdauer erfahren haben. Aus Empfehlungen des BiBB-Hauptausschusses zur Verkürzung der Ausbildungszeit aus dem Jahr 2008(2) ging die Konkretisierung dieser Regelung hervor. Dort wurde ausgeführt, dass die wöchentliche Mindestausbildungszeit von 25 Stunden als Richtschnur nicht unterschritten werden solle und die Teilzeitberufsausbildung grundsätzlich nicht zu einer Verlängerung der kalendarischen Gesamtausbildungsdauer führe. Dem folgten die meisten Kammern, aber die Entscheidungen wurden und werden von jeder Kammer im Einzelfall geprüft und getroffen.

Der Anteil der Berufsausbildungen in Teilzeit lag im Jahr 2020 bundesweit nach wie vor bei 0,4 Prozent.

 

Mit der Novellierung ging jedoch die automatische Verlängerung der Ausbildungsdauer nach einer festgelegten Rechenregel einher, die insgesamt für die Familiensorgenden zu einer Schlechterstellung im Vergleich zu vorher führen könnte. Mit den Empfehlungen des Hauptausschusses vom 10.06.2021 soll diese Verschlechterung ausgeschlossen werden, indem die Familiensorge als Verkürzungsgrund und Grundlage für eine Erfolgsprognose anerkannt wird.(3)

Doch: Wie erfolgt die Umsetzung der Empfehlungen des BiBB-Hauptausschusses in der Praxis? In NRW kann beispielsweise Bezug genommen werden auf die Erfahrungen im Förderprogramm "TEP – Teilzeitberufsausbildung – Einstieg begleiten – Perspektiven öffnen".

TEP – Teilzeitberufsausbildung – Einstieg begleiten – Perspektiven öffnen

Das Förderprogramm wird aus Mitteln des Landes NRW und des Europäischen Sozialfonds gefördert. TEP unterstützt den beruflichen (Wieder-)Einstieg durch die Vorbereitung auf eine qualifizierte Berufsausbildung für Menschen mit Familienverantwortung. Das Landesprogramm ist 2009 gestartet und wird in allen Regionen Nordrhein-Westfalens umgesetzt. Das TEP-Programm unterstützt bei der Suche nach einem betrieblichen Ausbildungsplatz in Teilzeit und gibt Hilfestellung, um Familie und Ausbildung zu vereinbaren. Die Teilnehmenden werden gecoacht, qualifiziert und beruflich vorbereitet und während der ersten Ausbildungsmonate individuell begleitet. Parallel zur Bildungsbegleitung der TEP-Teilnehmenden werden Unternehmen über die Möglichkeiten der Berufsausbildung in Teilzeit informiert und bei der Umsetzung unterstützt.

Die TEP-Träger berichten aus der Praxis, dass sowohl die Möglichkeit einer Ausbildung in Teilzeit nach wie vor weitgehend unbekannt ist als auch die möglichen Verkürzungsmöglichkeiten – sowohl auf der Seite der ausbildenden Unternehmen als auch auf der Seite der Ausbildungsinteressierten. Gleichzeitig legen die Kammern die Verkürzungsgründe oftmals eng aus und beziehen eben den eigentlichen Grund für die Teilzeitausbildung – die Familiensorge – nicht in die Verkürzungsmöglichkeiten ein. Sie beziehen sich im wesentlich auf die "traditionellen" Verkürzungsmöglichkeiten – die mit der Verkürzung aus Gründen der Familiensorge eigentlich kombiniert werden könnten: das Alter (ab 21 Jahre) und/oder der höhere Schulabschluss.

Bild: Andi Weiland/Gesellschaftsbilder.de

Es muss zunächst bilanziert werden, dass sowohl die Umsetzung der BiBB-Hauptausschussempfehlungen als auch die Ausbildung in Teilzeit als reguläre Ausbildungsform – mit ihren flexiblen Ausbildungsdauern, ihren Verkürzungs- und Verlängerungsgründen – noch nicht in der Praxis angekommen sind. Ein Beitrag zu einem höheren Bekanntheitsgrad bestünde unseres Erachtens in der Verschränkung mit weiteren arbeitsmarktpolitischen Instrumenten, die den Fokus auf die Ausbildung legen. Insbesondere in der Beratung und Bewerbung der Programme, sowohl für Interessierte als auch für ausbildende Unternehmen, sollten die Möglichkeiten der Teilzeitoption als ihr Vorteil herausgestellt werden. Bundesweit ließe sich beispielsweise die "Assistierte Ausbildung flexibel (AsA flex)" nennen.

Betriebe, die hier über den Arbeitgeberservice der Agentur für Arbeit informiert werden, könnten regulär auf die Möglichkeit, in Teilzeit auszubilden hingewiesen werden. In den Informationsmaterialien für Betriebe und für Interessierte könnte die Teilzeitoption prominent auf- und ausgeführt werden. Dies gilt ebenso für die länderspezifischen Programme, in NRW beispielsweise das "Ausbildungsprogramm NRW". Mit integrierten und auffällig platzierten Informationen zur Teilzeitberufsausbildung ließe sich hier eine breite Aufmerksamkeit schaffen.

KISS - keep it short and simple

Die Verlängerung der Ausbildungsdauer erfolgt – wie in den Hauptausschussempfehlungen detailliert beschrieben – in einem vierschrittigen Verfahren:

Schritt 1: Automatische Verlängerung


Zunächst erfolgt die Berechnung der Dauer der Teilzeitausbildung nach der automatischen Verlängerung. Wenn die Ausbildungsdauer in Vollzeit beispielsweise für den Beruf der Bürokauffrau 36 Monate umfasst und die vereinbarte wöchentliche Ausbildungszeit auf 75 Prozent reduziert wird, verlängert sich die Ausbildung insgesamt um 12 Monate (nach der Formel 36 Monate : 0,75 = 48 Monate).(4)

Schritt 2: Gesetzliche Obergrenze


Für die Verlängerung ist eine gesetzliche Obergrenze von maximal des eineinhalbfachen der Ausbildungsdauer in Vollzeit einzuhalten. Zum Beispiel, wenn die oben beschriebene angehende Bürokauffrau ihre Teilzeitausbildung in 50% durchführt, wird im ersten Schritt die automatische Verlängerung aus Schritt 2 errechnet (im Ergebnis sind das 72 Monate) und im zweiten Schritt durch die gesetzliche Obergrenze auf 54 Monate, also vier Jahre und sechs Monate begrenzt.(5)

Schritt 3: Abrundung


Die Ausbildungsdauer wird im dritten Schritt auf ganze Monate abgerundet, wenn sich rein rechnerisch kein runder Wert ergeben sollte. Dies wäre in unserem Beispiel etwa bei einer Verkürzung auf 70 Prozent der Fall.

Schritt 4: Möglichkeit der Verlängerung


In einem letzten vierten Schritt könnte die Verlängerung der Ausbildung bis zur nächsten möglichen Prüfung erfolgen.

Einigen von Ihnen wird es beim Lesen der Berechnungen so gehen wie den Unternehmen und Ausbildungsinteressierten, denen diese Schritte zu kompliziert sind, da sie eben nicht "short and simple", also kurz und einfach, dargestellt sind. Hinzu kommt, dass die Berechnung einer gewissen Vorläufigkeit bis zur Prüfung durch die Kammer unterliegt. In der Kommunikationsstrategie zur Akquise und Bekanntmachung der Teilzeitberufsausbildung ist es unseres Erachtens zielführender, an wenigen überschaubaren unterschiedlichen Modellen beispielsweise mittels Persona zu arbeiten.

Wenn eine motivierte und kompetent wirkende Person ganz konkret fassbar und vorstellbar für die ausbildenden Betriebe ist, wird es wahrscheinlicher, dass auch flexible Ausbildungsformen realisiert werden können.

 

Unternehmen sind in der Regel flexibel und aufgeschlossen, wenn es um Lösungsmöglichkeiten für Azubis geht, die sie bereits eingestellt haben. Einige Träger und auch Jobcenter nutzen dies, um den Wunsch nach Teilzeit in der Ausbildungsplatzakquise noch gar nicht zu erwähnen. Wenn dann eine motivierte und kompetent wirkende Person ganz konkret fassbar und vorstellbar für die ausbildenden Betriebe ist, wird es wahrscheinlicher, dass auch flexible Ausbildungsformen realisiert werden können.

Gleichzeitig ist es auch auf der Seite der Auszubildenden notwendig, die flexiblen Formen der Ausbildung bekannter zu machen, damit diese viel selbstverständlicher auch von ihnen eingefordert und ins Gespräch gebracht werden können. Eine Schwangerschaft während der Ausbildung wäre so eben kein Grund mehr für einen Ausbildungsabbruch oder ein Pflegefall in der Familie müsste nicht zwingend dazu führen, die eigene berufliche Qualifizierung aufzugeben. Die Angebotsseite für flexible Ausbildungsformen muss ohne Frage erhöht werden, aber auch die Nachfrageseite sollte verstärkt informiert sein.

Keine Flexibilisierung der Berufsschule

Zahlreiche Herausforderungen in der Kommunikation, Bekanntmachung und flexiblen Handhabung der Möglichkeiten der Teilzeitberufsausbildung für unterschiedliche Zielgruppen sind bereits benannt worden. Eine weitere kommt allerdings noch hinzu: die mangelnde Flexibilisierung der Berufsschule. Unabhängig von der Verkürzung oder Verlängerung der Ausbildungsdauer, der wöchentlichen oder täglichen Ausbildungszeiten – die Berufsschule muss in allen Fällen in gleichem Umfang absolviert werden. Selbst die Lockerungen, die in Pandemiezeiten möglich wurden, werden derzeit sukzessive wieder abgebaut, der Übergang zum regulären Schulbetrieb ist auch für die Berufsschulen vorgesehen oder bereits umgesetzt.

Bild: alexsokolov/Adobe Stock

Dies beinhaltet mehrere Fallstricke. Zum einen kollidiert der Beginn der Berufsschule für Menschen mit Familienverantwortung oftmals mit fehlenden Kinderbetreuungsmöglichkeiten in Randzeiten. Hier werden individuell Lösungen gesucht, aber nicht für alle Interessierten. Es gibt durchaus Berufsschulen, die ihren Auszubildenden die Möglichkeit einräumen, die Unterrichtszeiten an ihre Bedürfnisse leicht anzupassen. Es gibt aber auch Berufsschulen, die diese individuelle Vereinbarung nicht treffen, weshalb die Ausbildung im Wunschberuf verhindert wird. Nahezu unvereinbar sind darüber hinaus Formen des Blockschulunterrichts, der für manche Ausbildungsberufe vorgesehen ist, an einem zentralen Ort, in einem gebündelten Zeitraum – und ohne Betreuungsmöglichkeiten für die eigenen Kinder.

Hier ist dringender Handlungsbedarf zu erkennen. Die Berufsschule steht ebenfalls vor der herausfordernden Situation, auf flexibler werdende Lebensläufe und Erwerbs- und Ausbildungsbiografien zu reagieren. Hier hätten die digitalen Möglichkeiten des Distanzlernens während der Pandemie wegweisend sein können. Auch Selbstlerneinheiten, die mit credit points hinterlegt werden – vergleichbar zur Hochschule – könnten die Berufsschulzeiten flexibilisieren.

Die Krux mit den schulischen Ausbildungen

Trotz Pflege- und Erzieher*innennotstand und der Tatsache, dass vor allem Frauen in diesen Bereichen arbeiten, ist eine Teilzeitberufsausbildung in den schulischen Ausbildungsberufen immer noch eine Seltenheit. In den Bundesländern gibt es einzelne Versuche von Fachschulen, zum Beispiel die Ausbildung zur Pflegefachkraft in Teilzeit anzubieten. Allerdings gibt es in der schulischen Ausbildung auf Grund gesetzlicher Regelungen keine Verkürzungsmöglichkeiten der Ausbildungszeit wie in der dualen Ausbildung. Die Personen, die eine Teilzeitausbildung als Pflegefachkraft machen, müssen also die vollen 2.100 Stunden Theorie und 2.500 Stunden Praxis ableisten, bevor sie zur Prüfung zugelassen werden können.

Trotz Pflege- und Erzieher*innennotstand und der Tatsache, dass vor allem Frauen in diesen Bereichen arbeiten, ist eine Teilzeitberufsausbildung in den schulischen Ausbildungsberufen immer noch eine Seltenheit.

 

Dies bedeutet für die Auszubildenden, bis zu 4,5 Jahre von einem Ausbildungsgehalt leben zu müssen. Außerdem beklagen die Fachschulen immer wieder die Schwierigkeiten, dass sie für die Pflegefachkraft in Teilzeit nicht genügend Bewerber*innen haben, um einen Kurs ohne Verluste durchzuführen. Die Gründe hierfür bedürfen ebenso einer vertieften Analyse wie die Frage, warum in der schulischen Ausbildung die Möglichkeit der Verkürzung der Teilzeitberufsbildung bei Vorliegen von Gründen für einen erfolgreichen Abschluss nicht gesetzlich möglich gemacht werden.

Teilzeitberufsausbildung als Chance für neue Zielgruppen auf dem Fachkräftemarkt

Die Lebensrealitäten und Arbeitswelten werden immer diverser. Unternehmen werden neue Arbeits- und Ausbildungsformate anbieten müssen, um weiteren Personengruppen mit unterschiedlichen Bedarfen den Zugang zu Ausbildung und Arbeit zu ermöglichen und sich dadurch die Fachkräfte von morgen zu sichern. Um die Teilzeitberufsausbildung aus ihrem Nischendasein herauszuholen, müssen Betriebe sie als Möglichkeit für die Entwicklung unterschiedlicher Zielgruppen zu Fachkräften und damit als Chance für ihr Unternehmen wahrnehmen. Ob dies gelingt, hängt sowohl von der Bereitschaft der Betriebe ab, die neuen Möglichkeiten der Teilzeitberufsausbildung für alle auszuprobieren und der Qualität und Finanzierung von Begleit- und Unterstützungsstrukturen. In NRW wird im Projekt RITA+ an diesem Thema gearbeitet.

Landesmodellprojekt RITA+

Seit Oktober 2021 erprobt der Verein RE/init e.V. im Landesmodellprojekt RITA+ (Ruhrinitiative Teilzeitberufsausbildung+) gemeinsam mit Kooperationspartnerinnen, ob und wie durch Teilzeitberufsausbildung Menschen mit Migrations- und Fluchterfahrung, Beeinträchtigungen oder mit Familienverantwortung erfolgreich eine Ausbildung absolvieren können. Das Projekt wird gefördert mit finanzieller Unterstützung des Landes Nordrhein-Westfalen und des Europäischen Sozialfonds / REACT-EU. Seit Dezember 2021 werden in fünf Anlaufstellen über 80 Menschen aus genannten Zielgruppen begleitet, die sich für eine Teilzeitberufsausbildung interessieren.

Die wissenschaftliche Begleitung in RITA+ entwickelt, basierend auf Befragungen von Teilnehmer*innen und Betrieben sowie den Ergebnissen von Expert*innenworkshops bis zum März 2023 Handlungsempfehlungen für das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales in Nordrhein-Westfalen, wie die Zielgruppen ihre Ausbildung erfolgreich umsetzen können.

Fazit

Im Koalitionsvertrag "Mehr Fortschritt wagen" formuliert die Bundesregierung ihr Ziel einer Ausbildungsgarantie, die allen Jugendlichen den Zugang zu einer vollqualifizierenden Berufsausbildung, vorrangig in Betrieben, ermöglichen soll. Die begleitenden Instrumente wie beispielsweise die assistierte Ausbildung sollen ausgebaut werden.

Die Teilzeitberufsausbildung eröffnet Chancen für Betriebe, ganz neue Personengruppen für die Ausbildung und Nachwuchskräftegewinnung in den Blick zu nehmen, die mit den Vollzeitausbildungsangeboten nicht erreicht werden können. Für diejenigen, denen eine Ausbildung bisher nicht praktikabel erschien, weil sie aufgrund ihrer bisherigen Biografie aus vielfältigen Gründen nicht in den starren Rahmen einer Vollzeitberufsausbildung passten, ergibt sich hierdurch die Möglichkeit, einer grundständigen und tragfähigen beruflichen Ausbildung und Erwerbsperspektive. Teilzeitberufsausbildung kann als Baustein einer flexiblen und bedarfsgerechten Ausbildungspolitik wirksam werden, wenn sie

  • unkompliziert (z.B. durch Rechenmodelle für Unternehmen)
  • bekannter (z.B. durch eine bundesweite Kampagne) und
  • machbar (z.B. durch bedarfsgerechte Unterstützung für Unternehmen und zielgruppenspezifische Begleitung für Menschen mit Migrations- und Fluchterfahrung, Familienverantwortung und Beeinträchtigungen) wird.

Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es der Anpassung bereits bestehender und ggfls. auch der Entwicklung neuer Förderinstrumente für die Beratung und Begleitung der genannten Zielgruppen und Unternehmen, damit die Teilzeitberufsausbildung eine Chance für qualifizierte Arbeit in der Zukunft wird.

  • 1Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.): Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2022. Informationen und Analysen zur Entwicklung der beruflichen Bildung. Bonn 2022
  • 2Empfehlung des Hauptausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung zur Abkürzung und Verlängerung der Ausbildungszeit / zur Teilzeitausbildung, veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr. 129/2008 vom 27. 8. 2008
  • 3Empfehlung des Hauptausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung vom 10. Juni 2021 zur Teilzeitberufsausbildung gemäß § 7a des Berufsbildungsgesetzes/§ 27b der Handwerksordnung
  • 4Empfehlung des Hauptausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung vom 10. Juni 2021 zur Teilzeitberufsausbildung gemäß § 7a des Berufsbildungsgesetzes/§ 27b der Handwerksordnung
  • 5Ebd.