04.10.2022 | Redaktion

Auszubildende am längeren Hebel?

azubi.report 2022 diagnostiziert neues Kräfteverhältnis auf dem Ausbildungsmarkt

Die Zeit, in der ausbildende Unternehmen mittels aufwendiger Auswahlverfahren unter einer Vielzahl von Bewerberinnen und Bewerbern die Besten aussuchen konnten, ist offensichtlich vorbei – nicht nur wegen des demografischen Wandels. In der neuen Ausgabe des "azubi.report 2022" kommen die Autorinnen und Autoren zu dem Schluss: "Auf dem Ausbildungsmarkt hat sich das Kräfteverhältnis endgültig zu den Kandidaten verschoben." Das bedeutet aus ihrer Sicht auch, dass sich die Ausbildungsbetriebe neu aufstellen müssen, um sich ihre künftigen Fachkräfte zu sichern.

Ausschnitt aus der Titelseite des Reports

Nach den Erkenntnissen des Reports müssen Unternehmen bei der Suche nach Auszubildenden zunächst einmal schnell sein. Eine Befragung ergab, dass 29 Prozent der Auszubildenden bereits nach einer Woche eine Rückmeldung von ihrem heutigen Ausbildungsbetrieb auf ihre Bewerbung erhalten, 31 Prozent sogar bereits nach ein bis drei Tagen. Der Blick auf den gesamten Bewerbungsprozess bestätigt dies: 46 Prozent aller Auszubildenden haben weniger als vier Wochen von der Bewerbung bis zur Zusage benötigt.

Aus diesem Grund raten die Autorinnen und Autoren des Reports zu einem durchdachten, flüssigen und schnellen Bewerbungsprozess: "Es gilt, potenziellen Bewerber:innen so wenig Hürden wie möglich in den Weg zu legen. Für zögerliche Unternehmen gibt es keine zweite Chance: Wer Bewerber:innen lange warten lässt, geht leer aus." Wer in Sachen Bewerbung und Ausbildung innovativ sei und neue Wege einschlage, könne der Konkurrenz einen Schritt voraus sein. Online auffindbar zu sein sei dabei der erste wichtige Schritt, um für die Bewerberinnen und Bewerber überhaupt sichtbar zu werden. In Sachen Ausbildungsmarketing und
Social Media sollten Kosten und Nutzen genau abgewogen werden. Von einer einseitigen Konzentration auf Social Media rät der Report ab.

Teamspirit, Ehrlichkeit und Respekt

Um Unzufriedenheit bei den Azubis vorzubeugen und sie zugleich dauerhaft an den Ausbildungsbetrieb zu binden, empfehlen die Autorinnen und Autoren die Etablierung einer Unternehmenskultur, in der Teamspirit, Ehrlichkeit und Respekt gelebt wird: "Wo offen kommuniziert werden kann, können Probleme ohne Angst angesprochen werden. Auch eine angemessene Fehlerkultur trägt dazu bei. So lässt sich durch ein gesundes Zusammenspiel aus Fordern und Fördern der Lerneffekt erhöhen und durch Anerkennung der erbrachten Leistung Vertrauen und Bindung stärken."

Nicht nur die freie Auswahl aus vielen Bewerberinnen und Bewerbern ist den Unternehmen heute nicht mehr möglich – sie müssen nach den Erkenntnissen azubi.reports 2022 auch mehr investieren, um Fachkräfte zu gewinnen. Eigene zusätzliche Bildungsangebote könnten dabei helfen, die Voraussetzungen für das Gelingen einer Ausbildung zu schaffen und junge Menschen entsprechend zu qualifizieren und zu integrieren. Insgesamt betont der Report die Eigenverantwortung der Betriebe und die Notwendigkeit, innovativ auf die neue Situation am Ausbildungsmarkt zu reagieren. Auszubildende für das eigene Unternehmen zu gewinnen und als Fachkräfte auch dort zu halten, werde zwar zu einem immer komplexeren und herausfordernden Unterfangen: "Doch wer an dieser Stelle investiert, investiert letztendlich auch in die Zukunft des Unternehmens."

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