30.10.2017 | PM Bertelsmann Stiftung | Redaktion

Kinderarmut ist oft Dauerzustand

Studie der Bertelsmann Stiftung untersucht Armutsmuster in Kindheit und Jugend

Wächst ein Kind in Armut auf, bleibt es meistens für längere Zeit arm. Wie eine Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt, lebt etwa jedes fünfte Kind in Deutschland über mindestens fünf Jahre dauerhaft oder wiederkehrend in Armut. Für weitere 10 Prozent ist das ein kurzzeitiges Phänomen. Oftmals sind die Kinder und ihre Familien dadurch vom gesellschaftlichen Leben abgekoppelt.

Die in Zusammenarbeit mit dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) entstandene Studie untersuchte über einen Zeitraum von fünf Jahren jährlich die Einkommenssituation von Familien. In einer Armutslage befinden sich nach der Definition der Studie Kinder in Familien, die mit weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Haushaltsnettoeinkommens auskommen müssen oder staatliche Grundsicherung beziehen. Besonders von Armut bedroht sind drei Gruppen: Kinder alleinerziehender Eltern, Kinder mit mindestens zwei Geschwistern und Kinder mit geringqualifizierten Eltern.

Armut bedeutet hierzulande für Kinder meist nicht, kein Dach über dem Kopf oder kein Essen zu haben – die existenzielle Grundversorgung ist in der Regel gewährleistet. Arm zu sein heißt aber, auf vieles verzichten zu müssen, was für Gleichaltrige ganz normal zum Aufwachsen dazugehört. Beengtes Wohnen, wenig Geld für gesundes Essen, Bildung, Hobbies oder Urlaub und nur geringe Chancen auf gesellschaftlichen Aufstieg: Als Kind Armut zu erleben oder das eigene Kind in Armut aufwachsen zu sehen, bringt viele Schwierigkeiten mit sich – umso mehr, wenn es kaum ein Entrinnen aus der Armut gibt. Vor allem aber schließt es von vielen sozialen und kulturellen Aktivitäten aus.

"Wer schon als Kind arm ist, hat auch in der Schule nachweisbar schlechtere Chancen - und damit weniger Möglichkeiten, ein selbstbestimmtes Leben außerhalb von Armut zu führen."

Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung

 

Für die Studie wurden für 23 Güter und Aspekte sozialer Teilhabe abgefragt, ob diese in Familien aus finanziellen Gründen fehlen. Die Liste umfasst zum Beispiel eine ausreichend große Wohnung, eine Waschmaschine, einen internetfähigen Computer, aber auch die Möglichkeit, im Monat einen festen Betrag sparen zu können. Gesellschaftliche Aspekte, wie ein monatlicher Kinobesuch oder Freunde zum Essen nach Hause einladen zu können, wurden ebenfalls berücksichtigt. Das Ergebnis: Durchschnittlich fehlen Kindern in einer dauerhaften Armutslage 7,3 der 23 Güter, Kindern, die kurzzeitig von Armut betroffen sind, 3,4 Güter. Dagegen müssen Kinder aus Familien mit sicherem Einkommen im Schnitt nur auf 1,3 Güter verzichten.

Aus Sicht der Autorinnen und Autoren sind neue sozial- und familienpolitische Instrumente nötig, um der Armut entgegenwirken und Kinder gezielt zu unterstützen. Hierzu müssten erstens die Bedarfe und Interessen von Kindern systematisch erfasst werden. Darauf aufbauend sollte zweitens eine neue finanzielle Leistung für Kinder geschaffen werden, die bisherige familienpolitische Leistungen bündelt und vor allem armen Kindern unbürokratisch hilft. Drittens benötigten Kinder und Eltern in ihrer Umgebung gute Bildungs- und Freizeitangebote und passgenaue Unterstützung.