22.09.2025 | Redaktion | IAB

Ungenutzte Potenziale

Analyse des IAB: Weniger Menschen mit Migrationshintergrund in Ausbildung

Die Bildungsungleichheit zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund nimmt in Deutschland tendenziell zu. Das zeigt eine Analyse des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Junge Menschen mit Migrationshintergrund erreichen in Deutschland seltener höhere Bildungsabschlüsse als solche ohne Migrationshintergrund. Zudem ist in der ersten Gruppe der Anteil derjenigen ohne abgeschlossene Berufsausbildung deutlich höher. Insbesondere eine berufliche Ausbildung ist jedoch für viele Menschen mit Migrationshintergrund kein Thema.

Monkey Business/Adobe Stock

Bei der beruflichen Ausbildung sind die Bildungsungleichheiten sogar noch ausgeprägter als im Bereich der Hochschulbildung. Die Zahl der nicht formal Qualifizierten, also der Personen ohne abgeschlossene Berufsausbildung, im Alter zwischen 20 und 34 Jahren wuchs zwischen 2015 und 2022 von 1,9 auf über 2,86 Millionen, wobei Migration – insbesondere durch Geflüchtete – wesentlich zu diesem Anstieg beitrug.

Insgesamt lag die Quote der nicht formal Qualifizierten im Jahr 2022 bei 19,1 Prozent – mit erheblichen Unterschieden je nach Migrationshintergrund: 11,6 Prozent bei Personen ohne Migrationshintergrund, 20,4 Prozent bei in Deutschland aufgewachsenen Menschen mit Migrationshintergrund und 39,1 Prozent bei selbst eingewanderten Personen. Dieses Gefälle ist vor allem deswegen so problematisch, weil nicht formal Qualifizierte deutlich höhere Arbeitsmarktrisiken aufweisen: Im Jahr 2022 betrug ihre Arbeitslosenquote 19,8 Prozent, und sie stellen mehr als 60 Prozent der Langzeitarbeitslosen.

Die Autoren und Autorinnen der Analyse, Bernd Fitzenberger und Yuliya Kosyakova, nennen sechs zentrale Gründe für den vergleichsweise niedrigen Anteil beruflich ausgebildeter Menschen mit Migrationshintergrund:

  • Für diese Menschen bestehen höhere Zugangshürden in das System der beruflichen Bildung, das zwar vielfältige Möglichkeiten bietet, jedoch komplex und schwer durchschaubar ist.
  • Kinder mit Migrationshintergrund haben bei gleichem sozioökonomischem Status der Eltern im Durchschnitt höhere, teilweise jedoch weniger realistische Bildungsaspirationen als Kinder ohne Migrationshintergrund.
  • Menschen mit Migrationshintergrund haben häufig einen niedrigeren sozioökonomischen Status, was mit geringeren Bildungschancen einhergeht – auch, weil die Eltern ihre Kinder weniger gut beim Durchlaufen des Bildungs- und Berufsausbildungssystems unterstützen können.
  • Eine Berufsausbildung ist eine längerfristige Investition in die Arbeitsmarktchancen in Deutschland. Ob sich diese Investition lohnt, hängt entscheidend davon ab, ob ein dauerhafter Verbleib in Deutschland geplant ist.
  • Trotz fachlicher Kompetenz können – vor allem bei Neuzugewanderten – Sprachbarrieren und Schwierigkeiten mit Ausbildungsinhalten den erfolgreichen Abschluss erschweren.
  • Da das Berufsausbildungssystem in Deutschland sehr spezifisch ist, erweist sich die Anerkennung von im Ausland erworbenen beruflichen Fähigkeiten nicht selten als schwierig, da diese häufig nicht in mit den deutschen Abschlüssen vergleichbarer Form zertifiziert sind.

Um die bislang ungenutzten Fachkräftepotenziale von Menschen mit Migrationshintergrund besser zu erschließen, gilt es aus Sicht von Fitzenberger und Kosyakova insbesondere, mehr Menschen mit Migrationshintergrund für eine berufliche Ausbildung zu gewinnen. Dafür sollten zum einen die Vorteile der beruflichen Ausbildung gezielter vermittelt, zum anderen spezifische Zugangsbarrieren abgebaut und individuelle Unterstützungsbedarfe stärker berücksichtigt werden. Gleichzeitig sollte das Bewusstsein dafür gestärkt werden, dass die langfristigen Perspektiven im Helferarbeitsmarkt deutlich schlechter sind.

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