24.05.2011

Mit "Chance plus" den direkten Weg ins Berufsleben einschlagen

Christof Beutgen ist Leiter der Abteilung Grundsätze Mitarbeiterentwicklung bei der Deutschen Bahn. Die Redaktion sprach mit ihm über die Möglichkeiten des Übergangs von der Schule in einen Beruf bei der Deutschen Bahn für noch unversorgte Jugendliche.

Redaktion: Herr Beutgen, die Deutsche Bahn hat ja als bundesweiter Arbeitgeber einen hohen Bedarf an Arbeitskräften auf recht unterschiedlichen Qualifikationsstufen. Bietet das Unternehmen denn auch Jugendlichen ohne Schulabschluss oder mit schlechten Abgangszeugnissen eine Möglichkeit, den Übergang in Ausbildung und Beruf zu schaffen?

Christof Beutgen: Ja, das bietet die Deutsche Bahn an - und das auf zwei unterschiedliche Weisen. Wir haben auf der einen Seite ein Programm für Schulabgänger, die zwar einen Schulabschluss haben, aber nur bedingt ausbildungsfähig sind: das Programm Chance plus. Bundesweit können jährlich über 400 Jugendliche die unterschiedlichen Berufsfelder bei der DB kennen lernen und dort hineinschnuppern. Das Praktikum dauert fast ein Jahr und bietet die Möglichkeit, nach dem Abschluss des Programms direkt in eine Berufsausbildung oder in einen Job zu kommen. Die Übernahmequote liegt bei 75 Prozent und damit sehr hoch! Auf der anderen Seite haben wir auch ein Programm für Schüler, die ihren Hauptschulabschluss nicht geschafft haben und damit keine Voraussetzungen haben, an Chance plus teilnehmen oder eine Ausbildung beginnen zu können. Das Programm  heißt „Einsteigen!“ und wird bei DB Services im Bereich der Gebäudereinigung angeboten. Dort arbeiten wir eng mit Schulen zusammen. Im Rahmen von „Einsteigen“ qualifizieren wir pro Jahr etwa zwanzig Jugendliche für einen direkten Jobeinstieg bei DB Services. Außerdem haben die Teilnehmer die Möglichkeit während des Programms den Schulabschluss nachzuholen bzw. zu erweitern. Das Programm ist bislang regional begrenzt auf Berlin und Frankfurt, wir wollen es allerdings ausbauen.


Wie viele Jugendliche nehmen an Chance plus teil?

Ungefähr vierhundert pro Jahr. Die Chance-plus-Klassen starten immer im Herbst.


Vierhundert sind nicht unheimlich viel ... Was müssen Jugendliche tun, um so einen Praktikumsplatz zu ergattern … oder haben Sie eher Schwierigkeiten, die Plätze zu besetzen?

Da muss ich Sie korrigieren: Mit unserem Angebot für über 400 Jugendliche pro Jahr sind wir der größte Anbieter von Einstiegsqualifizierungen im EQ-Programmbereich. Und das Programm läuft seit 2004 sehr erfolgreich. Wie bekommen Jugendliche einen Platz? Eine Zugangsvoraussetzung ist, dass der Jugendliche ausbildungsplatzsuchend bei der Arbeitsagentur gemeldet ist, also bisher keinen Ausbildungsplatz gefunden hat. Darüber hinaus ist ein Schulabschluss weitere Bedingung für die Teilnahme am Programm. Dann bewirbt er sich bei uns (www.deutschebahn.com/chanceplus). Nach einem Auswahlgespräch geht es los.


Es gibt also auf jeden Fall mehr Bewerber als Plätze?

Das ist regional unterschiedlich. Es gibt Regionen, da haben wir viele Bewerbungen, es gibt aber auch Regionen, wo wir mehr Plätze haben als Bewerber.


Vermutlich abhängig von der aktuellen Ausbildungssituation in der Region …

Genau. Zum Beispiel haben wir in Leipzig weniger Bewerbungen als Plätze gehabt.


Was sind denn die Motive der Deutschen Bahn für das Engagement in dem Bereich?

Wir möchten Jugendlichen eine Chance geben, die nicht die nötige Ausbildungsreife besitzen. Eine unserer Hauptzugangswege für Nachwuchskräfte bei der DB ist die Ausbildung. Wir brauchen in unseren mehr als 25 Ausbildungsberufen sehr viele Hauptschulabsolventen. Daher möchten wir Hauptschülern, die einen nicht so guten Abschluss haben, über Chance Plus eine Möglichkeit geben, einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Und zwar dadurch, dass sie Leistung zeigen und  merken, wie gut das  funktioniert, dass sie in den Berufsalltag und in ein Unternehmen hineinkommen. Die andere Seite ist: wir können die jungen Leute auch kennen lernen.

Wir möchten Jugendlichen eine Chance geben, die nicht die nötige Ausbildungsreife besitzen.

 

Spielt das Thema Fachkräftesicherung für das Unternehmen nicht auch eine Rolle?

Das ist sicher ein wichtiger Aspekt. Natürlich spielt es bei dem Thema Personalrekrutierung eine Rolle, also bei der Frage, wo bekommen wir unsere Mitarbeiter her. Aber es ist auch ganz klar das Thema: hier sind Jugendliche, die brauchen Unterstützung und wir als Großunternehmen können verschiedene Möglichkeiten bieten, in unseren Konzern hineinzuschnuppern.


Während des Praktikums haben nicht nur Jugendliche die Möglichkeit den Betrieb kennen zu lernen, sondern auch der Betrieb hat die Möglichkeit, Jugendliche mit ihren Stärken und Schwächen näher kennen zu lernen. Wie werden die Jugendlichen betreut, damit Sie ein Gespür dafür bekommen, wer zu Ihnen passt?

Wir arbeiten ja im Rahmen des Chance-plus-Programms mit dem Zukunft plus e. V. zusammen, und die Jugendlichen werden auf zwei verschiedene Arten betreut. Einmal durch die betrieblichen Betreuer vor Ort, die also Mitarbeiter bei uns sind und die Jugendlichen in den Job einführen. Durch sie erfahren die Jugendlichen, was sie bei uns tun sollen, wie sie die Aufgaben am Besten bewältigen, wo sie eingesetzt werden, sie lernen die tägliche Arbeit und die Berufswelt kennen und hier werden ihre fachlichen Fragen beantwortet. Bei uns im Betrieb lernen sie die praktischen Dinge, die auch für die anschließende Ausbildung wichtig sind. Auf der anderen Seite gibt es Sozialpädagogen, die die Praktikanten mitbetreuen. Es hat sich als sehr hilfreich herausgestellt, weil es nicht für jeden leicht ist, regelmäßig und pünktlich da zu sein, sich im Sozialgefüge des Unternehmens zurechtzufinden. Und dafür sind stärker die Sozialpädagogen zuständig. Das ist für die Praktikanten ein absoluter Mehrwert, denn wir merken, dass wir ihnen damit wirklich eine Unterstützung bieten, dass sie nicht einfach in einen Betrieb „geschmissen“ werden, sondern eine echte Unterstützung erhalten.


Zukunft plus?

Der Zukunft plus e. V. ist ein Bildungsträger, mit dem wir das Programm zusammen anbieten.

Endet denn das Praktikum für die meisten Jugendlichen mit einem Erfolg?

Unbedingt. Wir haben eine Übernahmequote von über 75%! Das heißt: ungefähr drei Viertel der Leute, die in das Praktikum hineingehen, bekommen nachher auch einen Job oder eine Ausbildung.


Ist das eine Ausbildung bei der Deutschen Bahn?

Ja, vorrangig kommen diejenigen, die das schaffen, in eine Ausbildung bei der Deutschen Bahn, es gibt aber auch Jugendliche, die danach einen anderen Beruf wählen, aber der Großteil geht danach zu uns in eine Ausbildung. Und nebenbei bemerkt, unsere Auszubildenden werden mit einer Übernahmequote von über 95% übernommen. Das heißt, sie haben wirklich eine große Chance, bei uns tätig zu werden und zu bleiben.


Dann wurden schon die ersten Erfahrungen mit Jugendlichen gemacht, die dieses Programm durchlaufen haben …

Ja, da wir das Programm seit 2004 anbieten, arbeiten schon zahlreiche ehemalige Praktikanten bei uns im Konzern.


Planen Sie, das Programm so fortzuführen? Müssen Sie es anpassen?

Wir werden es auf jeden Fall fortführen. Das ist ganz klar. Wir passen es aber auch immer mal wieder an - einerseits an den Bedarf derer, die aus der Schule kommen: Was benötigen sie? Wie reagieren wir darauf? Außerdem gucken wir jedes Jahr aufs Neue, ob wir noch mehr Plätze anbieten können.


Vielen Dank für das Gespräch, Herr Beutgen.