28.10.2025 | Redaktion | Leibniz-Institut für Bildungsverläufe
Wie Inklusion an Schulen gelingt
Forschungsprojekt INSIDE veröffentlicht Ergebnisse einer Langzeitstudie
Die Pflicht zur Umsetzung von Inklusion ist eine der großen Herausforderungen für das deutsche Bildungssystem. Doch wie wirkt sich Inklusion auf den Schulalltag, den Lernerfolg und die soziale Teilhabe aus? Helfen inklusive Lernumgebungen nur Kindern und Jugendlichen mit sonderpädagogischen Förderbedarfen oder profitieren alle Schülerinnen und Schüler gleichermaßen davon? Das bundesweite Forschungsprojekt INSIDE liefert dazu erstmals umfassende Längsschnitt-Daten – basierend auf einer fünfjährigen Langzeitstudie an 246 Schulen in Deutschland.
Die Ergebnisse des Projektes, die in einem Sammelband der Zeitschrift für Erziehungswissenschaft (ZfE) veröffentlicht wurden, ergeben bei der Umsetzung von Inklusion ein gemischtes Bild. Die Beiträge des Sammelbands zeigen, dass Inklusion in der Sekundarstufe I weder durchweg gelingt noch grundsätzlich scheitert. Zu den zentralen Ergebnissen zählt die hohe Bedeutung der Kooperation des pädagogischen Personals: Die Zusammenarbeit von allgemein- und sonderpädagogischen Lehrkräften ist entscheidend für erfolgreichen inklusiven Unterricht. Eine gute Vorbereitung, eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung und eine positive Arbeitsatmosphäre fördern die sogenannte "ko-konstruktive Kooperation".
Grundsätzlich zeigt sich, dass der Einsatz digitaler Medien hilfreich sein kann, um auf die unterschiedlichen Lernbedürfnisse und -anforderungen von Schülerinnen und Schülern einzugehen – allerdings in Abhängigkeit vom Lehrpersonal: Lehrkräfte, die sich gut darauf vorbereitet fühlen, inklusiv zu unterrichten, sind auch digitalen Medien im Fachunterricht gegenüber aufgeschlossener und sehen in solchen Medien eher eine Chance, Schülerinnen und Schüler individuell zu fördern.
Kompetenzaufbau auf unterschiedlichem Niveau
In der INSIDE-Studie wurden wiederholt die Kompetenzen aller Schülerinnen und Schüler in den Bereichen Lesen und Mathematik untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass zu Beginn der Sekundarstufe, also von Jahrgangsstufe 6 nach 7 alle Schülerinnen und Schüler im Lesen und in der Mathematik dazu lernen. Lernende mit sonderpädagogischem Förderbedarf (SPF) zeigen aber erwartungsgemäß geringere Kompetenzen als Lernende ohne SPF, wobei die Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern mit einem sonderpädagogischen Förderschwerpunkt Lernen geringer ausfallen als die Kompetenzen von Lernenden mit anderen sonderpädagogischen Förderschwerpunkten wie etwa Sprache.
Die Sozialkompetenzen von Schülerinnen und Schülern ohne SPF entwickeln sich weder systematisch besser noch schlechter, wenn sie im Laufe der Sekundarstufe I unter inklusiven Bedingungen lernen oder nicht. Entscheidend ist das Klassenklima: Wertschätzende Beziehungen zwischen Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern fördern die Entwicklung der Sozialkompetenzen von Kindern ohne SPF. Erwartungsgemäß berichten Schülerinnen und Schüler mit SPF von einer geringeren sozialen Teilhabe. Je stärker die Schülerinnen und Schüler wahrnehmen, dass ihre Fachlehrkräfte den Unterricht an ihre individuellen Bedürfnisse anpassen, desto stärker erleben sie soziale Teilhabe. Dies trifft insbesondere für diejenigen mit SPF zu.
Elternnetzwerke sind wichtig für den Bildungsverlauf
Ein weiteres Ergebnis betrifft die Elternnetzwerke: Eltern spielen eine entscheidende Rolle beim Bildungserfolg ihrer Kinder. Dazu zählen auch Kontakte, die Eltern zu Eltern von Mitschülerinnen und Mitschülern ihrer Kinder haben. Mit den INSIDE-Daten kann gezeigt werden, dass sich solche Elternkontakte innerhalb einer Klasse positiv auf den Schulerfolg von Schülerinnen und Schülern mit SPF auswirken. Nicht zuletzt stellten die Forschenden einen positiven Zusammenhang von Inklusion und Demokratiebildung fest: Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte berichten von eine stärkeren demokratischen Ausrichtung der Schule, wenn diese sich aktiv um inklusive Lernumgebungen bemüht.