19.08.2025 | Redaktion | Universität Halle-Wittenberg

Sprachentwicklung Geflüchteter

Frühe Teilnahme am Regelunterricht fördert Deutschkenntnisse

Junge Geflüchtete verbessern ihre Sprachkenntnisse in Deutschland am ehesten, wenn sie möglichst schnell in reguläre Schulklassen kommen. Das zeigt eine neue Studie von Forschenden der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU), für die sie Daten von mehr als 1.000 Jugendlichen auswerteten. Die Analyse zeigt auch: Willkommensklassen scheinen unzureichende Deutschkenntnisse nicht wie erhofft ausgleichen zu können. Längere Wartezeiten auf die Einschulung gehen auch Jahre später noch mit schlechteren Deutschkenntnissen einher.

Bild:  Drivepix /Adobe Stock

Damit Schülerinnen und Schüler aus eingewanderten Familien dem Unterricht folgen und gute Leistungen bringen können, müssen sie die Sprache des Aufnahmelandes beherrschen. Auch wenn es zehn Jahre nach der großen Fluchtmigrationsbewegung bisher nur wenig Zahlen über den Stand der Deutschkenntnisse in Deutschland gibt, zeigen Untersuchungen, dass geflüchtete Grundschulkinder beim Leseverständnis durchschnittlich zwei Schuljahre im Vergleich zu ihren nicht eingewanderten Mitschülerinnen und Mitschülern zurückliegen.

Einfluss rechtlicher und institutioneller Rahmenbedingungen auf Spracherwerb

Die Forschenden der MLU und des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge untersuchten in ihrer Studie "Institutional conditions and acquisition of language skills among young refugees: Investigating the German context", ob rechtliche und institutionelle Bedingungen einen Einfluss auf den Erwerb von deutschen Sprachkompetenzen junger Geflüchteter haben. Folgende Faktoren wurden dabei in den Blick genommen:

  • Die Wartezeit bis zur Einschulung,
  • den Asylstatus und
  • die Frage, ob die Geflüchteten vor dem Besuch der regulären Klasse eine sogenannte Neuzuwanderer- oder Willkommensklasse besucht hatten.

In die Analyse wurden 1.097 Jugendliche einbezogen, die zum Befragungszeitpunkt zwischen 14 und 16 Jahre alt waren und eine Regelklasse in Bayern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz oder Sachsen besuchten. Datengrundlage ist das Panel „Refugees in the German Educational System“ (ReGES), das von 2016 bis 2021 vom Leibniz-Institut für Bildungsverläufe durchgeführt wurde und bei dem auch Deutschkenntnisse geprüft worden sind.

Spätere Einschulung, schlechtere Deutschkenntnisse

Die Ergebnisse der MLU-Auswertung zeigen, dass längere Wartezeiten bis zur Einschulung auch Jahre später noch mit schlechteren Deutschkenntnissen einhergehen.  Da viele Bundesländer Kinder erst dann einschulen, wenn die Zuweisung der Flüchtlingsfamilie zu einer Kommune erfolgt ist, warten schulpflichtige Flüchtlingskinder oft deutlich länger als ein halbes Jahr auf ihre Einschulung. In dieser Zeit haben sie keinen Kontakt zu deutschsprachigen Mitschülerinnen und Mitschülern. Dieser mangelnde Kontakt zu gleichaltrigen Nichtgeflüchteten ist offenbar auch ein Grund dafür, dass Willkommensklassen kaum zu einer Angleichung der Zweitsprachkenntnisse führen. Solche Klassen sind in vielen Bundesländern eingerichtet worden, um junge Geflüchtete mit geringen Deutschkenntnissen auf den Besuch einer Regelklasse vorzubereiten.

"Ehemalige Schülerinnen und Schüler von Willkommensklassen haben auch Jahre später noch geringere Sprachkenntnisse als jene Flüchtlinge haben, die von Anfang an Regelklassen besuchten."
PD Dr. Oliver Winkler, Autor der Studie

 

Abhängigkeit der Sprachkenntnisse vom Asylstatus

Tendenziell hängen die Sprachkenntnisse offenbar auch vom Asylstatus ab. Die Daten des ReGES-Panels zeigen: Geflüchtete, die mit dem latenten Risiko leben, abgeschoben zu werden, haben schlechtere Deutschkenntnisse, da sie möglicherweise aufgrund der Ungewissheit weniger Ambitionen haben, die Sprache zu lernen.

Empfehlungen der Forschenden

Auch wenn der Bildungserfolg von Geflüchteten von vielen weiteren Faktoren abhängt, lassen sich nach Ansicht der Forschenden anhand der Daten des ReGES-Panels dennoch Empfehlungen für die Politik ableiten:

  • Eine möglichst schnelle Einschulung und Integration in den Fachunterricht.
  • Zügig Klarheit über den Asylstatus schaffen.
  • Grundschulen sollten auf separierende Vorbereitungsklassen verzichten.

Als Einwanderungsland sei Deutschland gefordert, an dieser Stelle gute Rahmenbedingungen und kontinuierliche Unterstützung für eine gelingende Integration zu schaffen, resümieren PD Dr. Oliver Winkler (Autor der Studie) und Ane-Kathrin Carwehl (Autorin der Studie).

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