16.12.2010

Das ist SCHLAU: mit der Person und an den Strukturen arbeiten

Ein Projektbericht

von Petra Lippegaus-Grünau

Viele Schülerinnen und Schülern können außerschulische Unterstützung gut gebrauchen; Beratung und Begleitung helfen ihnen, Umwege und Fehlschläge zu vermeiden. Individuelle Hilfen aber reichen nicht aus, um das Problem "zu wenig Ausbildung, zu viel Übergangsystem" zu lösen. In Nürnberg wurde das erkannt: Das Projekt SCHLAU kombiniert individuelle Hilfen mit strukturellen Verbesserungen. Es schafft Verbindungen zwischen Jugendlichen und Betrieben. Um erforderliche Veränderungen frühzeitig zu erkennen, wertet es zudem systematisch Daten des Übergangsgeschehens aus und leitet in Kooperation mit anderen erforderliche Maßnahmen daraus ab.

Nürnberg sah sich 2006 vor massive bildungspolitische Herausforderungen gestellt: von den dortigen Hauptschülerinnen und Hauptschulen war es nur 12 Prozent gelungen, einen betrieblichen Ausbildungsplatz zu bekommen.

Bild: SCHLAU Übergangsmanagement Nürnberg

Die Stadt übernahm Verantwortung. Das Projekt SCHLAU wurde in Leben gerufen - das Kürzel steht für SCHule, Lernerfolg, Ausbildung. Unter diesem Motto öffnet das Projekt Hauptschülern und Hauptschülerinnen erfolgreich Türen in die betriebliche Ausbildung oder einen anderen weiterführenden Anschluss. Was das Projekt auszeichnet, ist der doppelte Blick, nämlich auf die individuelle und auf die strukturelle Seite im Übergang Schule - Beruf. Mit einem ganzheitlichen Konzept gelingt es, beide Aufgaben des Übergangsmanagements zu verknüpfen: Junge Menschen erhalten persönliche Begleitung auf ihrem Weg; gleichzeitig werden die regionalen Voraussetzungen des Übergangs kritisch überprüft und beständig verbessert. SCHLAU übernimmt dabei die Aufgabe eines Moderators für den gelingenden Übergang.

Das Leitbild von SCHLAU rückt das Menschenrecht auf Bildung in den Mittelpunkt. In komplexer gewordenen Lebenszusammenhängen, einem durch die Globalisierung rauer gewordenen sozialen Klima und einem begrenzten Ausbildungs- und Arbeitsmarkt soll die Maßnahme dazu beitragen, die bildungs- und sozialpolitische Forderung nach gesellschaftlicher Teilhabe einzulösen.

Jugendlichen werden nicht als Problemfälle gesehen, sondern als Menschen mit Zielen.

 

SCHLAU versteht sich als soziales Dienstleistungsangebot für möglichst alle jungen Menschen im Übergang von der Schule in den Beruf. Die Jugendlichen werden bewusst nicht als Problemfälle gesehen, sondern als "Menschen mit Zielen", und gleichzeitig als künftige Fachkräfte, die dazu beitragen, die Wirtschaftsstandort zu erhalten. Angestrebt wird eine win-win-Situation, von der die Schülerinnen und Schüler profitieren, aber auch die Kommune und die Betriebe.

Den Ausgangspunkt von SCHLAU bildete das Konzept der Hamburger Hauptschulinitiative, die wie in vielen Kreisen und Kommunen in Nürnberg aufgegriffen und an die örtlichen Verhältnisse angepasst wurde. 2006 zunächst als Modellprojekt eingeführt, ist die Initiative inzwischen als Regelangebot verstetigt und wird aus Mitteln der Bundesagentur für Arbeit (Vertiefte Berufsorientierung), des Kultusministeriums und der Stadt Nürnberg finanziert.

Individuelle Beratung und Begleitung

Die sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Koordinierungsstelle SCHLAU haben sich zum Ziel gesetzt, individuelle Übergänge zu optimieren und für alle eine Anschlusslösung zu finden: eine duale Ausbildung, eine vollzeitschulische Ausbildung oder eine höher qualifizierende Schule. Das Angebot richtet sich flächendeckend an alle Nürnberger Hauptschulen; in der Praxis konzentriert es sich auf die Schülerinnen und Schüler, die in der 8. Klasse Aussicht auf einen qualifizierten Hauptschulabschluss haben. Tatsächlich schafft mittlerweile über die Hälfte der ca. 500 betreuten Hauptschülerinnen und Hauptschüler den Weg in eine betriebliche oder schulische Ausbildung.

Voraussetzung für den Erfolg der Maßnahme ist die individuelle und persönliche Begleitung durch eine Mitarbeiterin in den 8., 9. und 10. Jahrgangsstufen. (In Bayern gilt die neunjährige Schulpflicht, die 10. Klasse schließt mit der mittleren Reife.) Die Jugendlichen lernen die Fachkräfte bei einer Informationsveranstaltung in ihrer Schule kennen und suchen aus eigenem Antrieb die zentral gelegene Koordinierungsstelle auf. Dort erhalten sie in persönlichen Gesprächen, per Telefon und E-Mail-Beratung bei ihrer Berufswahlentscheidung, Unterstützung, um schulische Leistungen zu verbessern sowie differenzierte Hilfen bei der Bewerbung. Um eine Entscheidung fundiert zu treffen und zu vertreten, können sie z. B. in einem Betrieb ein Probebewerbungsverfahren durchlaufen.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verfügen über eine sozialpädagogische Qualifikation, kennen Berufe, Betriebe, Branchen und können auf der Grundlage einer interkulturellen Schulung sensibel mit Anforderungen umgehen, die sich u. a. aus unterschiedlichen Herkunftstraditionen ergeben. Die Arbeit der Hauptamtlichen wird durch Ehrenamtliche unterstützt.

In der Beratung legt das Team um den Koordinator Dr. Hans-Dieter Metzger Wert auf die Selbstbestimmung der Jugendlichen, auf die Förderung der individuellen Stärken und der Eigenverantwortlichkeit. Die Zusammenarbeit erfolgt freiwillig, in gegenseitigem Respekt und wechselseitiger Wertschätzung. Als mündige Bürgerinnen und Bürger sollen die jungen Menschen unterstützt werden, Anforderungen zu bewältigen und eigene Wege zu gehen.

Das Netzwerkkonzept

SCHLAU hat ein breites Netz zu Partnerbetrieben in und um Nürnberg aufgebaut. Das Team akquiriert selbst Praktikumsplätze und Ausbildungsstellen, arbeitet aber vor allem intensiv mit Ausbildungsaquisiteuren und -aquisiteurinnen der Handwerkskammer und der Industrie- und Handelskammer zusammen. Zum SCHLAU-Netzwerk gehören 27 Nürnberger Hauptschulen, die Schülerinnen und Schüler benennen und mit SCHLAU die Bewerbungsphase begleiten. Die Agentur für Arbeit unterstützt im Rahmen der Berufsberatung. Gemeinsam engagieren sich insgesamt über 70 Netzwerkpartner, Jugendliche, Eltern und Lehrkräfte zu begleiten, Einmündungsquoten zu erhöhen und das Übergangssystem zu entlasten.

Durch langjährige vertrauensvolle Kooperation sind die jeweiligen Bedingungen und Anforderungen der Betriebe und Branchen bekannt, es können passende Plätze und Bewerber / Bewerberinnen zusammengeführt werden. Zum Erfolgsrezept von SCHLAU trägt bei, betriebliche Experten und Expertinnen aus Partnerunternehmen in die Begleitung der Jugendlichen einzubeziehen.

Um junge Menschen an die Anforderungen der Arbeitswelt, der Branche oder des Betriebes heranzuführen, bieten Personalverantwortliche Workshops und Seminare, Probebewerbungsgespräche oder nehmen Stellung zu einer Bewerbung, sie stellen Materialien wie Eignungstests zur Verfügung. Den Maßstab dafür bilden die Bedürfnisse des Einzelfalls. SCHLAU ist im Bundesnetzwerk der Hauptschulinitiativen aktiv, das 3. Bundestreffen fand 2009 in Nürnberg statt.

Evaluation, Dokumentation und Steuerung

Wie erfolgreich Ziele verfolgt und wie effizient Ressourcen verwendet wurden, untersucht und berichtet SCHLAU fortlaufend. Die Zahl der erfolgreichen Bewerbungen, der realisierten Ausbildungsberufe, anderer Anschlüsse sowie die Zufriedenheit der Schüler und Schülern werden evaluiert und im jährlichen Tätigkeitsbericht veröffentlicht.

Eine Datenbank bildet die Ergebnisse der persönlichen Gespräche, der telefonischen und E-Mail-Kontakte ab, eine konsequente Dokumentation des Beratungsprozesses ermöglicht ein komplexes Bewerberprofil. Sie erlaubt statistische Auswertungen der Erfolge, differenzierte Angaben zu Zielgruppen, Berufswünschen und Einmündungen. Die Ergebnisse lassen sich sehen: Im Schuljahr 2008/2009 mündeten 39 Prozent der Betreuten in eine duale Ausbildung, 14 Prozent in eine schulische Ausbildung ein.

Die Ergebnisse werden vom städtischen Amt für Berufliche Schulen für ein systematisches Bildungsmonitoring genutzt. Die erhobenen Zahlen werden ausgewertet, kritische Fragen dazu innerhalb der Kommune pädagogisch und politisch diskutiert und daraus erforderliche Maßnahmen abgeleitet. Auch die im Rahmen des BMBF-Projekts "Regionales Übergangsmanagement" entwickelte Angebotsdatenbank trägt Informationen für die Steuerung bei.

Fazit

In Nürnberg besteht kaum ein Zweifel daran, dass die kommunale Koordinierung, ein aktives und auf Kohärenz setzendes Bildungsmanagement, die systematische Übergangsbegleitung und der konsequente Ausbau der Schulberufsausbildung - subsidiär zur dualen Ausbildung - hohe Wirksamkeit entfalten. Hier leitet man aus den eigenen Erfolgen die Empfehlung ab, Städte und Gemeinden einen rechtlichen Auftrag für diese Aufgaben zu erteilen und so diese Ansätze nachhaltig zu verankern.

Dafür spricht, dass SCHLAU im neuen Bildungsbericht der internationalen Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) als gutes Beispiel im Übergang Schule - Beruf aufgeführt wurde.

Weitere Informationen

  • Datenbank Übergangsmanagement Nürnberg
    Hier finden Sie eine Datenbank, die einen Überblick über die vorhandenen Angebote von Maßnahmen, Projekten und Initiativen in Nürnberg bietet, die hilfreich für den Übergang von der Schul- in die Berufswelt sind.
  • www.schlau.nuernberg.de
    Die Koordinierungsstelle SCHLAU begleitet Schülerinnen und Schüler auf ihrem Weg von der Schule beziehungsweise Berufsvorbereitung bis zum Ausbildungsplatz oder weiterführenden Anschluss.