10.04.2017

"Respekt - Mach Dein Ding!"

Ein Angebot mit Zukunft für entkoppelte junge Menschen unter 25 Jahren

von Andrea Arndt und Karin Maria Rüsing

Immer wieder rutschen junge Menschen durch die sozialen Netze oder sie entziehen sich ihnen bewusst. Das ist kein Phänomen, das sich auf großstädtische Ballungszentren oder soziale Brennpunkte beschränkt. Auch im ländlichen Raum, in Gebieten mit guten Strukturdaten, tritt es auf. Für die Betroffenen hat das weitreichende Konsequenzen. Unmittelbar droht ihnen die Obdachlosigkeit, langfristig ein Erwerbsleben unter prekären Bedingungen. Mit persönlich geprägten, langfristigen Betreuungsbeziehungen gelingt dem Kolping-Bildungswerk Münster die behutsame und nachhaltige Re-Integration dieser entkoppelten Jugendlichen.

Klick zum VergrößernDas Team des Projekts "Respekt - Mach Dein Ding!"

Sie werden als "entkoppelte Jugendliche", "ausgegrenzte Jugendliche" oder auch "schwer erreichbare junge Menschen" bezeichnet. Die Gruppe lässt sich so schwer beschreiben, wie es schwierig ist, genaue Zahlen zu erhalten. Im Jahr 2015 stellte eine Studie des Deutschen Jugendinstituts (DJI) im Auftrag der Vodafone Stiftung fest, dass rund 21.000 minderjährige Jugendliche mit problematischen Lebenslagen aus sämtlichen institutionellen Kontexten herausgefallen sind. Das bedeutet, sie sind weder in der Schule oder in der Ausbildung, noch gehen sie einer Erwerbsarbeit nach und bekommen auch keine SGB II-Leistungen. Eine gerade erschienene neue Studie des DJI ermittelt etwa 37.000 Straßenjugendliche, also junge Menschen unter 27 Jahren, die wohnungs- oder obdachlos sind.

Junge Menschen, die an der Armutsschwelle oder darunter leben, sind besonders gefährdet, durch die Maschen des Systems zu fallen. In einer Studie für die Altersgruppe 18 bis 24 Jahre hat das DJI ihren Anteil in Deutschland schon im Jahr 2010 bei 20 Prozent gesehen. Die Tendenz ist steigend. Eine Befragung von Fachkräften aus der freien und öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe lässt den Schluss zu, dass es bundesweit circa 80.000 junge Menschen sind, "die sich außerhalb von Bildungsinstitutionen befinden, die außerdem zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht auf reguläre Erwerbseinkommen oder Sozialleistungen zurückgreifen (können)". Diese Befragung wurde im Auftrag der Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS) im Jahr 2012 durchgeführt. Ganz gleich, wie unterschiedlich diese Zahlen auch sind, so unterstreichen sie doch die Bedeutung ergänzender Angebote. Sie verweisen auf die Notwendigkeit politischer Steuerungs- und Gestaltungsarbeit sowie einen Forschungsbedarf zu dieser Thematik.

Entkoppelte junge Menschen unter 25 Jahren

Um zu erproben, ob die Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit zusätzlicher Betreuung und Unterstützung zurück auf den Weg in Bildungsprozesse und Maßnahmen der Arbeitsförderung geholt werden können, startete das Bundesarbeitsministeriums (BMAS) im Herbst 2015 das Pilotprogramm "Respekt". Dieses Pilotprogramm erweitert "das nach dem SGB II vorgesehene Leistungsangebot für die Erbringung von Leistungsbestandteilen und Methoden, die im gesetzlichen Rahmen des SGB II nicht als Leistungen zur Eingliederung in Arbeit erbracht werden können. Ziel ist es, ein Hilfeangebot zu gestalten, in dem persönlich geprägte, langfristige Beziehungen zu den jungen Menschen aufgebaut werden, die Vertrauen und Sicherheit schaffen und einen kontinuierlichen und nachhaltigen Weg in Ausbildung und Arbeit ebnen. Die zentrale Botschaft des Programms wird mit dem Begriff ´Respekt` ausgedrückt, der der Mehrdimensionalität der Problemlagen Rechnung trägt". Der Landkreis Coesfeld gehört zu den geförderten Projektstandorten, aus seiner Arbeit stammen die Praxisbeispiele.

Es sollen niederschwellige flächendeckende Hilfsangebote für die jungen Menschen geschaffen werden, die - aus welchen Gründen auch immer - an Übergängen wie von der Schule in den Beruf gescheitert sind.

 

Pilotprojekt "Respekt – Mach Dein Ding!" im Kreis Coesfeld

Im Februar 2016 ging im Kreis Coesfeld das Pilotprojekt "Respekt – Mach Dein Ding!" an den Start. Träger ist das Kolping-Bildungswerk Diözesanverband Münster, das es sich zum Ziel gesetzt hat – gemäß den Leitlinien des Kolpingwerks –, genau diese entkoppelten jungen Menschen zu erreichen und sie zurück in mögliche Bildungs- und Arbeitsprozesse zu begleiten. Das Kolping-Bildungswerk hat den Zuschlag zur Durchführung des Projekts in einem ländlichen Flächenkreis erhalten. Insgesamt gibt es bundesweit 18 Projektträger.

Der Kreis Coesfeld hat mit etwa drei Prozent die geringste Arbeitslosenquote in NRW und ist mit einem sehr guten Netzwerk verschiedenster Angebots- und Unterstützungsmöglichkeiten ausgestattet. Sollte die Arbeit des Projekts "Respekt" im Landkreis zeigen, dass sie eine sinnvolle Ergänzung der bestehenden Hilfsangebote darstellt, wäre eine überregionale Ausweitung auf weitere ländliche Gebiete gerechtfertigt.

Die Umsetzung des Projekts im ländlichen Flächenkreis

Das Kolping-Bildungswerk führt das Projekt an vier festen Standorten im Landkreis Coesfeld durch. In Coesfeld, Dülmen, Lüdinghausen und Nottuln wurde je ein Ladenlokal angemietet und so eingerichtet, dass in einem gemütlichen, familiären Ambiente beraten werden kann und auch niederschwellige offene Angebote möglich sind. Das Projekt ist darüber hinaus im Mittelzentrum Münster vertreten. So sollen die jungen Menschen erreicht und begleitet werden, die vorübergehend ihren Lebensmittelpunkt in Münster haben. Sie sollen in den Kreis Coesfeld zurückgeführt werden.

Klick zum VergrößernDas "Respekt!"-Team aus Nottuln im Kreis Coesfeld

An jedem Standort arbeiten zwei bis drei Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, wobei angestrebt wird, dass immer gleich viele Männer und Frauen an einem Standort sind. Die Teams werden durch eine psychologische Begleitung ergänzt. Sie soll den jungen Menschen im Bedarfsfall vorübergehende therapeutische Unterstützung anbieten, bis der Wechsel in eine reguläre ambulante oder stationäre Therapie eingeleitet werden kann.

Für die mobile oder aufsuchende Sozialarbeit stehen zwei Beratungsbusse zur Verfügung. Mit diesen Bussen fahren die Teams zu festgelegten Zeiten an bestimmte Orte, um so die jungen Menschen in ihrem Lebensraum anzutreffen und direkt beraten zu können. So ist zum Beispiel die Coesfelder Tafel ein fester Standplatz für einen Beratungsbus. Immer zu den Öffnungszeiten der Tafel ist auch das Respekt-Team anwesend.

Das Projekt „Respekt - Mach Dein Ding!" versteht sich ausdrücklich als Nicht-Maßnahme und zeigt dies in seiner Konzeption und Außendarstellung.

 

Von anderen Angeboten unterscheidet sich das Programm "Respekt" vor allem durch seinen Betreuungsschlüssel. Eine Fachkraft betreut acht Teilnehmerinnen und Teilnehmer, was bedeutet, dass für jeden Fall viel mehr Zeit zur Verfügung steht, als es sonst üblich ist. Die Fachkräfte können sehr schnell Kontakt aufnehmen und diesen Kontakt dann in eine regelmäßige und verbindliche Beziehungsarbeit münden lassen. So entsteht eine Vertrauensbasis, die bei Bedarf auch einen täglichen Kontakt gestattet. Es gibt außerdem die Möglichkeit, unabhängig von bestimmten Beratungszeiten, nach den Wünschen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, den Kontakt zu halten und diesen nach einem Übergang in einen der Rechtskreise oder eines der Hilfesysteme fortzuführen.

Klick zum VergrößernTeilnehmer nach Alter und Geschlecht

Das Projekt "Respekt – Mach Dein Ding!" versteht sich ausdrücklich als Nicht-Maßnahme und zeigt dies in seiner Konzeption und Außendarstellung. Das erleichtert es dem Team, die jungen Menschen in ihrer "entkoppelten" Situation zu erreichen. Voraussetzung dafür ist eine umfassende Kenntnis der verschiedenen Unterstützungsmöglichkeiten im Kreisgebiet und ein sicheres und verlässliches Netzwerk der verschiedenen Hilfesysteme.

Fallbeispiele

Christian*, 24 Jahre alt, verdient jetzt seinen Lebensunterhalt, hat eine Wohnung und Aussicht auf einen Ausbildungsplatz

Zum Zeitpunkt des ersten Kontakts ist Christian wohnungslos und unmittelbar von Obdachlosigkeit bedroht. Die erste Anlaufstelle für ihn war die Coesfelder Tafel. Seine regelmäßige Versorgung mit Lebensmitteln wurde mit einem später beantragten Tafelausweis sichergestellt. Die Begleitung zu Behörden, die Beantragung von Arbeitslosengeld und die Meldung bei der Agentur für Arbeit waren Zielsetzungen, die gemeinsam umgesetzt wurden. In Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit ging es dann darum, Christian in ein Praktikum zu vermitteln. Schnell gab es eine Zusage für ein Praktikum, dann folgte auch die Zusicherung für einen Jahresarbeitsvertrag mit der Aussicht auf einen Ausbildungsplatz. Christian arbeitet seit September 2016 mit vollem Stundenumfang und ist finanziell unabhängig. Er bezieht keine Leistungen mehr und hat seit kurzem eine eigene Wohnung bezogen.
* Name geändert

Laura*, 16 Jahre alt, geht wieder zur Schule und kann im Sommer in die Berufsschule wechseln

Laura kam mit Ihrer Mutter durch die Vermittlung der Schulsozialarbeit im August des letzten Jahres zum Projekt. Sie hatte in der Schule große Schwierigkeiten wegen einer zunächst nicht diagnostizierten Lernbehinderung. Deshalb wurde sie gemobbt und schwänzte oft die Schule, was sich zu verfestigen schien. Das Respekt-Team wurde eingeschaltet, nachdem die Schulsozialarbeit die bestehenden Hilfsmöglichkeiten ausgeschöpft hatte. Lauras individuelle Einschränkungen bargen die Gefahr, dass der Schulabsentismus zu längerfristigen Problemen oder zur dauerhaften Entkoppelung führen würden. In enger Zusammenarbeit mit den Eltern, der Schule und dem Schulpsychologen wurde vereinbart, dass Laura die Schulpflicht in Form von Praktika ableisten darf. Damit war sie frei für eine Therapie, die seit Januar durchgeführt wird. Ziel ist, dass Laura im Sommer dieses Jahres auf die Berufsschule wechseln kann, ohne in alte Verhaltensmuster zurückzufallen. Inzwischen besteht auch Kontakt zur Arbeitsagentur, damit langfristige Berufsperspektiven entwickelt werden können. Die Begleitung sowohl in den Praktika und der Therapie als auch die Reintegration in den Bildungsbereich wird vom Respekt-Team koordiniert. Die enge Beziehungsarbeit soll Laura nachhaltig stabilisieren. Das Projekt Respekt konnte in diesem Fall vorhandene Strukturen passgenau ergänzen. Die gute Zusammenarbeit hat zu einer Entlastung aller Beteiligten geführt.
*Name geändert

Markus*, 22 Jahre alt, macht jetzt eine Ausbildung und verdient seinen Lebensunterhalt selbst

Markus lebte noch bei seiner alkoholkranken Mutter zu Hause als er im Projekt Teilnehmer wurde. Er befand sich in der rechten Szene, hatte einen mittleren Schulabschluss und hielt sich mit gelegentlichen Jobs über Wasser. Außerdem zeigte er psychische Auffälligkeiten. Bei der Tafel in Coesfeld war er auf das Projekt aufmerksam geworden. Die Zusammenarbeit begann, als die unregelmäßigen Jobs wegzufallen drohten und die familiären Verhältnisse in eine Wohnungslosigkeit zu münden schienen. Er wurde darin unterstützt, sich bei der Agentur für Arbeit als Ausbildungsplatz suchend zu melden und das Team half ihm auch dabei, Kindergeld zu beantragen. Gemeinsam konnte eine psychische Stabilisierung erreicht werden. Dadurch war es möglich, in einer intensiven berufsorientierenden Begleitung eine realistische berufliche Perspektive mit ihm zu entwickeln und umzusetzen. Seit August letzten Jahres absolviert er eine Ausbildung und benötigt keinerlei finanzielle Unterstützung. Die Familienverhältnisse haben sich insgesamt entspannt. Eine weitere Betreuung findet statt, damit sich dieser Erfolg weiter verfestigt.
*Name geändert

Martin*, 22 Jahre alt, entwickelt Zukunftsperspektiven und übernimmt mehr Verantwortung

Martin ist 22 Jahre alt und Vater eines Kindes, ein zweites ist unterwegs. In der Vergangenheit hat er bereits verschiedene Hilfesysteme durchlaufen. Er hat viele Probleme, zum Beispiel Sucht- und Gewalterfahrungen  sowie Schulden. Weil er die Schule schon nach der siebten Klasse verlassen hat, fehlt ihm auch eine gute Grundbildung. Beim Erstkontakt war Martin eher negativ und skeptisch gegenüber dem Projekt eingestellt. Eine intensive Beziehungsarbeit stand deshalb zunächst im Vordergrund. Nach und nach öffnete sich Martin. Die zu Beginn auffällige Motivationslosigkeit, fehlende Zukunftsperspektiven und die negative Grundstimmung werden von Kontakt zu Kontakt geringer. Vor allem die Grundstimmung erhellt sich immer mehr. So entwickelt Martin jetzt Zukunftsperspektiven und übernimmt außerdem größere Verantwortung für sein Kind und seine Lebenspartnerin. Immer wieder äußert er, wie sehr ihm die Unterstützung und vor allem die Herangehensweise des Teams geholfen hat.
*Name geändert

Die praktische Arbeit

So unterschiedlich wie die jungen Menschen selbst sind, ist auch die Art ihrer Begleitung. Alle Fälle sind Einzelfälle, und die Hilfe richtet sich individuell nach den Wünschen und Bedürfnissen der Klienten. Die Zugänge zum Projekt sind verschieden und vor allem sind sie freiwillig. Zu Beginn findet ein Erstgespräch statt, in dem die späteren Klienten ihre Lebenssituation darstellen. Daraus entwickeln sie zusammen mit den Pädagogen das weitere Vorgehen. Die durchschnittliche Dauer einer Begleitung liegt derzeit bei etwa sechs Monaten. Auf Wunsch bleibt das Team so lange in Kontakt mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern, bis eine Ablösung sinnvoll erscheint.

Folgende Unterstützungsmöglichkeiten gibt es:

  • Psychosoziale Begleitung und Beratung
  • Stabilisierung der Einkommensverhältnisse
  • Wohnsituation (Vermeidung / Beseitigung von Wohnungslosigkeit)
  • Arbeits- und Ausbildungsplatzsuche
  • Begleitung bei Behördengängen
  • Antragstellung
  • Haushaltsplanung
  • Weitervermittlung zu Maßnahmen, Trägern, Einrichtungen und Therapeuten
  • Sicherstellung der Gesundheitsversorgung (Krankenkassen)

Die alltägliche Arbeit vor Ort lässt sich in vier Aufgabenfelder einteilen:

Jugendliche nehmen Kontakt auf

Häufig findet der Kontakt in den Ladenlokalen statt, und außer den Betroffenen selbst kommen manchmal auch Familienmitglieder. Eine direkte Vermittlung aus den verschiedenen bestehenden Hilfesystemen ist wegen des Datenschutzes nicht einfach. Eine Lösung für dieses Problem ist, dass die Beteiligten, zum Beispiel die Jobcenter, das Jugendamt oder die Schulsozialarbeit, zu einem gemeinsamen Termin mit potentiellen Teilnehmerinnen und Teilnehmern einladen und auf diese Weise den Kontakt herstellen.

Klick zum VergrößernDer Beratungsbus für die mobile Arbeit.

Mobile Arbeit

Die aufsuchende beziehungsweise mobile sozialpädagogische Arbeit ist ein wesentlicher Bestandteil des Projekts. Die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sind entweder mit dem Beratungsbus an festen Standorten im Kreis Coesfeld, mit dem PKW oder auch zu Fuß unterwegs. Ziel ist es, den jungen Menschen dort zu begegnen, wo sie gerade ihren Lebensmittelpunkt haben. Neben den vier Ladenlokalen hält das Team zurzeit etwa acht mobile Standorte vor, an denen es wöchentlich anzutreffen ist.

Netzwerkarbeit

Zu Beginn der Projektarbeit haben die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter alle im Kreis Coesfeld angesiedelten Hilfesysteme, die mit der Zielgruppe in Kontakt stehen, in persönlichen Gesprächen informiert. In diesen Gesprächen wurden zum Beispiel Schnittmengen für eine mögliche Zusammenarbeit definiert. So ist ein großes Netzwerk entstanden, auf das das Projekt nun in seiner alltäglichen Arbeit verlässlich zurückgreifen kann.

Evaluation und Forschung

Eine wichtige Aufgabe im Rahmen eines Pilotprojekts ist die Evaluation. Im Projekt "Respekt – Mach Dein Ding!" soll vor allem die Notwendigkeit, ein niederschwelliges und freiwilliges Angebot vorzuhalten, beurteilt werden. Es gilt zum einen, eine Antwort auf die Frage zu finden, warum so viele junge Menschen vom System entkoppelt sind. Dann soll durch gelebte Praxis nachgewiesen werden, wie es gelingen kann, auch diejenigen zu erreichen, die durch individuelle Einschränkungen und soziale Benachteiligungen durch das Netz der Hilfesysteme fallen. Wenn sich zeigt, dass im ländlichen Flächenkreis Coesfeld ein solches Angebot notwendig ist, und dass die im Projekt geleistete Arbeit eine sinnvolle Ergänzung der vorhandenen Hilfelandschaft darstellt, dann ist das ein Argument für ein flächendeckendes und überregionales Angebot.

Von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern im Projekt sind mehr als ein Drittel bereits wieder in Arbeits- und Bildungsprozesse zurückbegleitet worden.

 

Erfolgsfaktoren und erste Ergebnisse

Das Team hat im ersten Jahr seines Bestehens mehr als 260 junge Menschen in schwierigen Problemlagen erreicht. Nach über 135 intensiveren Aufnahmegesprächen mit potentiellen Klientinnen oder Klienten sind jetzt (Stand Ende März 2017) 92 Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Projekt "Respekt – Mach Dein Ding!", die dadurch für sich neue Perspektiven entwickeln konnten. Mehr als ein Drittel von ihnen ist bereits wieder in Arbeits- und Bildungsprozesse zurückbegleitet worden. Das Projekt "Respekt" gibt den jungen Menschen die Chance, einen eigenen Weg einzuschlagen, der auf ihre individuellen Bedürfnisse abgestimmt ist. Die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter stellen keine Anforderungen an sie oder an die Zusammenarbeit. Auftraggeber der Unterstützungsleistung sind nur die Betroffenen selbst.

Als wichtigste Faktoren für den Erfolg ihrer Arbeit nennen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Projekts folgende Punkte:

  • Jede Kontaktaufnahme ist freiwillig, es wird kein Druck ausgeübt und keine Erwartungshaltung aufgebaut.
  • Die Begleitung ist individuell und nur auf den jeweiligen Bedarf der Klientin oder des Klienten zugeschnitten.
  • Es ist immer die selbe Kontaktperson zuständig. Alle Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner sind gut zu erreichen.
  • Aus verlässlichen Beziehungen entsteht Vertrauen und eine kontinuierliche Betreuung wird möglich. Die Teammitglieder übernehmen eine Lotsenfunktion.
  • Die gute Vernetzung des Projekt-Teams und die Mund-zu-Mund-Propaganda erlauben oft Lösungen auf dem kleinen Dienstweg.
Klick zum VergrößernEntwicklung der Teilnehmerzahlen im Projektverlauf

Darum ist für die Entwicklung der Hilfelandschaft und für die Weiterführung des Projekts die Frage wichtig, wie gesellschaftlichen Entkopplungsprozessen junger Menschen, insbesondere am Übergang in die Volljährigkeit, entgegengewirkt werden kann. Das Projekt "Respekt - Mach Dein Ding!" kann als Anfang einer Entwicklung gesehen werden, in der das gesamte Hilfenetzwerk im Kreis Coesfeld, insbesondere die Jugendhilfeträger sowie die Jobcenter und die Agentur für Arbeit, bestrebt sind, in enger Zusammenarbeit Unterstützungsstrukturen für die jungen Menschen in Übergangsprozessen zu etablieren.

Das Programm "Respekt" und § 16h SGB II

Im August 2016 wurde mit dem § 16h ein Fördertatbestand in das SGB II (Grundsicherung für Arbeitsuchende) aufgenommen, der sich an "schwer zu erreichende junge Menschen unter 25 Jahren" richtet. Der § 16h SGB II zielt darauf ab, für diese Zielgruppen passgenaue Betreuungs- und Unterstützungsleistungen anzubieten. "Die Förderung umfasst zusätzliche Betreuungs- und Unterstützungsleistungen mit dem Ziel, dass Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende in Anspruch genommen werden, erforderliche therapeutische Behandlungen eingeleitet werden und an Regelangebote dieses Buches zur Aktivierung und Stabilisierung und eine frühzeitige intensive berufsorientierente Förderung herangeführt wird." Eine bundesweite Auswertung der Erfahrungen aus dem Programm "Respekt" sollte schnell erfolgen und bei der Umsetzung dieses Paragraphen nutzbar gemacht werden.

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