19.08.2022 | Redaktion | BDA

Plädoyer für "Chancengarantie"

Arbeitgeberverband veröffentlicht Positionspapier

Seit geraumer Zeit wird eine Ausbildungsgarantie als Mittel zur Verbesserung der beruflichen Chancen junger Menschen  diskutiert – oft mit Bezug auf Österreich, wo eine solche Garantie bereits umgesetzt wird. Nun positionierte sich die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) klar dagegen: Die im Koalitionsvertrag genannte Ausbildungsgarantie müsse als "Chancengarantie" verstanden werden. Jugendliche ohne Ausbildungsplatz sollten demnach drei Angebote für eine betriebliche Ausbildung erhalten. Ein darüber hinaus gehender Regelungsbedarf bestehe nicht.

Diese sogenannte "Chancengarantie" ist aus Sicht der Arbeitgeber Bestandteil des "Pfads in Ausbildung", der auf einer Vereinbarung der Allianz für Aus- und Weiterbildung im 2013 beruhe. Er habe das Ziel, jeden ausbildungsinteressierten Menschen frühestmöglich zu einem Berufsabschluss zu führen. Der Pfad in Ausbildung müsse beibehalten und weiterentwickelt werden, indem die dabei zum Einsatz kommenden Förderinstrumente weiter optimiert werden.

Für den BDA gibt es kein Versorgungsproblem der Jugendlichen, das durch eine Ausbildungsgarantie und mehr außerbetriebliche Ausbildung zu lösen wäre. Vielmehr berge ein vom tatsächlichen Bedarf losgelöster Ausbau der außerbetrieblichen Ausbildung viele Gefahren: "Jugendliche konzentrieren sich auf wenige Wunschberufe, für die am Arbeitsmarkt kein Bedarf besteht. In der Konsequenz wird die Integration in den Arbeitsmarkt erschwert." Noch problematischer werde es, wenn eine solche Garantie mit einem Umlagesystem verbunden wird, bei dem nicht-ausbildende Betriebe die außerbetriebliche Ausbildung finanzieren sollen. Damit würden die Betriebe benachteiligt, die trotz vielfältiger Bemühungen ihre Ausbildungsplätze wegen Bewerbermangels nicht besetzt bekommen und dennoch eine Abgabe zahlen müssten. Dies führe auch zu Fehlanreizen und zu einer Schlechterstellung von kleinen Betrieben, die nicht die Kapazitäten haben, um regelmäßig auszubilden.

Stärkung der Berufsorientierung

Statt einer solchen „Entkopplung des Ausbildungsmarkts vom Arbeitsmarkt“ gelte es, die tatsächliche Herausforderung auf dem Ausbildungsmarkt zu meistern, nämlich die mangelnde Passung ("Matching") zwischen Angebot und Nachfrage. Dies könne durch eine Stärkung praxisnaher Berufsorientierung und Kompetenzfeststellung erreicht werden: "Die Jugendlichen müssen herausgefordert werden, auf dieser Grundlage ihre Berufsziele zu definieren und sich auf eine nicht zu enge Auswahl dazu passender Berufe zu bewerben." Auch Betriebspraktika müssten wo immer möglich wieder angeboten und genutzt werden. Darüber hinaus sollte der Übergang von Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen (BaE) und die Einstiegsqualifizierung gestärkt und optimiert werden.

In Österreich werde die Ausbildungsgarantie überwiegend in Regionen angeboten, in denen wenig Ausbildungsstellen zur Vergütung stehen. So entfalle die Hälfte aller Teilnehmenden auf Wien, dort sei der Bewerberüberhang besonders ausgeprägt. In Deutschland zeige sich dagegen ein anderes Bild: In dreizehn Bundesländern gebe es deutlich mehr betriebliche Ausbildungsstellen als Bewerberinnen und Bewerber. In zwei Ländern (NRW und Hessen) gebe es einen leichten Stellenüberhang. Allein in Berlin fehlten nach der Statistik der BA betriebliche Ausbildungsplätze. In den wenigen Regionen in Deutschland mit angespanntem Ausbildungsmarkt werde ein ausreichendes Angebot, etwa durch Verbundausbildung oder Programme der Bundesländer, zur Verfügung gestellt.

Fehlanreize durch Umlagefinanzierung

Deutlich wendet sich der BDA dagegen, die Ausbildungsgarantie durch eine Umlage zu finanzieren. Dadurch gerate die Kostenstruktur der Ausbildung aus dem Gleichgewicht: "Betriebe, die keine Fachkräfte benötigen, werden dazu verleitet, aus rein finanziellen Gründen auszubilden. Wenn dies in bestimmten Berufen überproportional geschieht, entsteht am Arbeitsmarkt ein Überangebot. Dies erhöht die (Jugend-)Arbeitslosigkeit." Außerdem führe das Umlagesystem zu Benachteiligungen für Kleinstbetriebe, die seltener Bedarf an Fachkräften hätten und dementsprechend weniger ausbildeten. Die Ausbildungsqualität leide ebenfalls, da womöglich nicht mehr in allen Fällen die Gewinnung von qualifizierten Nachwuchskräften im Vordergrund stehe, sondern eine Kosten-Nutzen-Rechnung ins Spiel kommen könnte.

Weitere Informationen

  • BDA: Positionspapier (PDF)
    Als Spitzenverband der deutschen Wirtschaft vertritt die BDA die sozial- und wirtschaftspolitischen Interessen von einer Million Betrieben mit rund 30,5 Millionen Beschäftigten.