16.12.2011

Berufseinstieg zwischen Plattenbau und Hartz IV

Praxisbericht aus Rostock

von Petra Lippegaus-Grünau

Berufseinstiegsbegleitung - eine neue Aufgabe, für die an vielen Standorten erstmal ein Weg gefunden werden muss. In Rostock arbeitet Jana Hoffmann an einer Schule im sozialen Brennpunkt. Das Beispiel der engagierten Berufseinstiegsbegleiterin veranschaulicht, wie gute Praxis im Rahmen von BerEb gelingen kann. Einen wichtigen Anteil am Erfolg haben Erfahrung des Trägers, gewachsene Kooperationsstrukturen und eine behutsame Annäherung an das System Schule. Die Berufseinstiegsbegleitung bildet die Klammer für verschiedene Stationen der Berufsorientierung und bindet diese Aufgabe in eine ganzheitliche und lebensweltorientierte Betreuung ein.

Die Krusenstern-Gesamtschule in Rostock-Schmarl liegt inmitten einer Großsiedlung, die als sozialer Brennpunkt gilt. Hartz IV ist hier für viele Familien Alltag. Viele Schülerinnen und Schüler müssen eine Reihe von Hindernissen auf dem Weg ins Leben und in den Beruf überwinden und brauchen dabei zusätzliche Unterstützung. Aus diesem Grund wurde die Schule als eine von vier Schulen in und um Rostock für eine Berufseinstiegsbegleitung ausgewählt.

Bild: AFZ Rostock

Den Zuschlag für die Berufseinstiegsbegleitung (BerEb) an den vier Schulen erhielt ein Bildungsdienstleister, der als Partner in der Region bereits bekannt war: das Aus- und Fortbildungszentrum Rostock (AFZ). So mussten die Berufseinstiegsbegleiter/innen keinen "Kaltstart" hinlegen, sondern konnten auf Erfahrungen und Netzwerke zurückgreifen. Der Bildungsdienstleister hatte bereits mit ähnlichen Jugendlichen und in verschiedenen Programmen im Übergang gearbeitet und brachte Kontakte zu vielen Firmen, zu einigen der Schulen und zu regionalen Kooperationspartnern wie der Agentur für Arbeit mit. Auf dieser Grundlage konnten gleich zu Beginn konstruktive Gespräche mit den Schulleitungen stattfinden, in denen Eckpunkte festgelegt, die gegenseitigen Erwartungen geklärt und Befürchtungen ausgeräumt wurden. Die BerEbs bekamen eigene Räume, einen Laptop stellte das AFZ. Neben einem festen Ansprechpartner gab es Schlüssel für den Raum und die Schule, um flexible Dienstzeiten zu ermöglichen.

Der direkte Draht zum Lehrpersonal

Jana Hoffmann, Berufseinstiegsbegleiterin an der Krusenstern-Gesamtschule, erlebte es als sehr wichtig, ein verlässliches Angebot machen zu können. Viele Schulen seien sehr "projektbelastet", erhielten ständig neue Anfragen und ständig wechselnde Angebote, da sei die Kontinuität des Programms und der Personen ein Türöffner und eine Prämisse, sich auf die Zusammenarbeit einzulassen.

Sie gehört zu einem Team von drei Berufseinstiegsbegleiterinnen und -begleitern, die an den vier Schulen 60 Schülerinnen und Schüler betreuen. An jeder Schule sind zwei BerEbs eingesetzt, sie selbst betreut 20 Teilnehmende an zwei Schulen.

Als Grundlage ihrer Arbeit bezeichnet sie den direkten Draht zu den Klassenlehrerinnen und -lehrern, mit ihnen arbeitet sie Hand in Hand. Sie nimmt auch an Dienstbesprechungen teil, so dass ein Austausch gewährleistet ist. Die Schülerinnen und Schüler können kommen, wenn es nötig ist, die Lehrkräfte sind auch einverstanden, dass zur Krisenintervention auch Gespräche in der Unterrichtszeit möglich sind.

Strukturierte Arbeit ohne starren Fahrplan

Einen starren Fahrplan gibt es nicht, die Arbeit verläuft an jeder Schule anders. Zum methodischen Repertoire gehört eine kleine Eingangsanalyse zu Beginn, die auch Tests in Schulfächern sowie ein biografisches Interview umfasst. Frau Hoffmann tritt vorsichtig auf, sie hört oft zunächst Sätze wie "Ein schwieriger Schüler. Hoffentlich kommt er zu den Terminen."

Dies hat aus ihrer Sicht oft mit dem Bild von Schule zu tun, schließlich sei für viele Schülerinnen und Schüler, die in der Berufseinstiegsbegleitung teilnehmen, die Schule der Ort ihres größten Versagens. Im Gespräch mit einer anderen Person erweisen sich die Jugendlichen als überraschend auskunftsfreudig, viele greifen von Anfang an nach der angebotenen Unterstützung.

Eigene Stärken sehen lernen, sich selbst realistisch einschätzen, Selbstzweifel ausräumen -das müssen viele Jugendliche erst lernen. Entsprechend wichtig ist die gemeinsame Arbeit am Selbstbild und am Selbstbewusstsein.

Hindernisse aus dem Weg räumen

Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt deshalb auf intensiver Einzelfallarbeit. In Gesprächen, die in ihrem Besprechungsraum, auf dem Schulhof oder auch bei den Jugendlichen zu Hause stattfinden, geht es um das, was Lernen, Entwicklung, Berufsorientierung verhindert und aus dem Weg geräumt werden muss. Das kann ein "Katastrophenfach" sein, für das gemeinsam eine Förderung organisiert wird, ein Hausbesuch, bei dem sich herausstellt, dass erst eine Lernathmosphäre geschaffen werden muss, das Entwickeln eines strukturierten Alltags als Grundlage für Lernerfolge, aber auch Lebensbewältigung im Alltag, z. B. Erfahrungen mit jeglicher Form von Gewalt. "Einige erzählen Geschichten, die niemand in seinem Leben erleben sollte."

Im Dialog mit den Jugendlichen, den Eltern und Lehrern werden Bildungswege aufgezeigt und die Jugendlichen befähigt, selbständig Entscheidungen zu fällen und ihren Weg zu verfolgen.

 

In jedem Gespräch spielen die beruflichen Interessen, Praktikumsplätze etc. eine zentrale Rolle. Wo möglich, nimmt die Berufseinstiegsbegleiterin an Potenzialanalysen und an den Werkstatttagen des Berufsorientierungsprogramms teil, ihr Träger ermöglicht darüber hinaus eine Erprobung in Berufsfeldern in den Ferien. Diese Berufsorientierungsangebote außerhalb der Schule stellen für viele Schülerinnen und Schüler eine echte Herausforderung dar. Sie tun sich zunächst schwer mit neuen Gesichtern, neuen Umgebungen und neuen Anforderungen.

Unterstützung bis in die Ausbildung hinein

Beim Praktikum trauen viele sich nicht, sich zu bewerben. Auch viele Eltern durchblicken das Bildungssystem, die Bedeutung der berufsorientierenden Angebote nicht, entsprechend fehlt ihre Unterstützung. Hier leistet die Berufseinstiegsbegleitung eine wichtige Brückenfunktion. Sie begleitet sie bei allen Angeboten, trainiert die Jugendlichen, sich für ein Praktikum zu bewerben, z. B. zum Telefon zu greifen und sich zu erkundigen und übernimmt die Betreuung und Nachbetreuung des Praktikums. Im Dialog mit den Jugendlichen, den Eltern und Lehrern werden Bildungswege aufgezeigt und die Jugendlichen befähigt, selbständig Entscheidungen zu fällen und ihren Weg zu verfolgen.

Die Unterstützung reicht über das Ende der Schulzeit hinaus bis in die Ausbildung hinein. Diese Arbeit findet unter anderen Vorzeichen statt als in der Schule. Die Auszubildenden sind vor allem zu Ausbildungsbeginn abends total fertig, an einen Kontakt im Büro ist oft nicht mehr zu denken. Weil auch das Guthaben für das Handy mal leer ist, stellt sich Frau Hoffman auf das ein, was ist und chattet im Internet in den gängigen sozialen Netzwerken mit den Teilnehmern. Hier kann sie bei Konflikten und Entscheidungsschwierigkeiten kurzfristig so beraten, dass die Jugendlichen in der Lage sind, ihre Probleme selbst zu lösen.

Begeisterungsfähigkeit und professionelle Haltung

Wer mit ihr spricht, spürt ihre hohe Identifikation mit der Aufgabe und ihr großes Engagement für die Schülerinnen und Schüler. Vielleicht ist es eine Mischung aus der Fähigkeit, Menschen zu begeistern und der professionellen Haltung, sich auch zurücknehmen zu können, die hier zum Erfolg von Berufseinstiegsbegleitung beiträgt.

Den Eindruck kann man jedenfalls bekommen, wenn man sie fragt, was besonders gut gelingt und übertragbar wäre. Sie hat "gute Erfahrungen gemacht", Impulse für neue Wege in die Schule zu tragen, z. B. die Teilnahme am Wettbewerb "Starke Schule" anzuregen oder eine Berufsmodenschau mit ihren Teilnehmenden vorzuführen. Ihre Empfehlung lautet: "Wir dürfen nicht vergessen, dass Schule ein eigenes System ist, in dem wir erst mal Fremde sind. Wir sind willkommen, wenn wir als Partner auftreten, der eine andere Perspektive anbietet, Neues anregt, einen erkennbaren Nutzen hat."

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