27.05.2025 | Redaktion | Bertelsmann Stiftung
Einsamkeit gefährdet die Demokratie
Neue Befragung von 16- bis 30-Jährigen im Auftrag der Bertelsmann Stiftung
Fast die Hälfte (46 Prozent) der jungen Menschen in Deutschland fühlt sich einsam, 35 Prozent davon moderat und etwa zehn Prozent sogar stark. Zu diesem Befund einer Studie aus dem Jahr 2024 hat die Bertelsmann Stiftung nun eine ergänzende Befragung durchgeführt. Diese ergab, dass 60 Prozent der jungen Menschen in Deutschland, die sich stark einsam fühlen, nicht glauben, dass sie politische oder gesellschaftliche Veränderungen bewirken können. Wer sich einsam fühlt, ist unzufriedener mit der Demokratie und anfälliger für politische Entfremdung und Radikalisierung.
Während ein Drittel der nicht einsamen Befragten sich selbst die Fähigkeit abspricht, Dinge in ihrer Stadt oder ihrer Gemeinde verändern zu können, ist es bei den stark Einsamen mehr als die Hälfte (52 Prozent). Auch das Vertrauen in demokratische Strukturen ist bei den stark Einsamen deutlich geschwächt: 63 Prozent zeigen sich unzufrieden mit der Demokratie in Deutschland, bei den nicht Einsamen sind es 41 Prozent. "Einsamkeit beeinträchtigt das Vertrauen junger Menschen in Demokratie und Politik. Das Misstrauen wächst umso stärker, je weniger sie das Gefühl haben, sich einbringen zu können. Wenn wir junge Menschen nicht verlieren wollen, brauchen wir wirksame, niedrigschwellige Formen politischer Beteiligung – analog wie digital", sagt Nicole Kleeb von der Bertelsmann Stiftung.
Zwar interessieren sich stark einsame junge Menschen grundsätzlich nicht weniger für politische Themen als ihre nicht einsamen Mitmenschen. Aber sie fühlen sich von der Politik noch mehr übersehen. Auch äußern die stark Einsamen deutlich häufiger die Ansicht, dass Politikerinnen und Politiker die Sorgen der jungen Generation nicht ernst nehmen (76 Prozent gegenüber 61 Prozent). Wer sich langfristig ausgegrenzt fühle, könne das Interesse an Politik gänzlich verlieren oder empfänglicher für populistische Positionen werden, warnen die Autorinnen der Studie.
Räume der Begegnung schaffen
Zugleich zeigen die Ergebnisse: Das Gefühl von Anerkennung und sozialer Zugehörigkeit kann für junge Menschen eine wichtige Motivation sein, sich einzubringen. Viele erhoffen sich, durch ihr Engagement gesehen und wertgeschätzt zu werden – und erleben gemeinschaftliches Handeln als möglichen Ausweg aus der Einsamkeit. Politische Teilhabe kann so auch präventiv gegen soziale Einsamkeit wirken.
Die Autorinnen empfehlen eine gesellschaftspolitische Gesamtstrategie zur Einbindung junger Menschen, um Einsamkeit zu bekämpfen und Engagement zu fördern. Neben bezahlbaren Freizeit- und Kulturangeboten sollten insbesondere sogenannte "dritte Orte" gefördert werden – offene, kostenlose Begegnungsräume wie Jugendzentren, Stadtteilcafés oder digitale Orte, die soziale Bindung und Interaktion ermöglichen. Ebenso sei es wichtig, vor allem auf kommunaler Ebene neue und niedrigschwellige Möglichkeiten zur Beteiligung zu schaffen.