15.05.2025

Der schwierige Übergang ins Berufsleben

Junge Menschen im Dauerkrisenmodus gezielt und zeitgemäß unterstützen

von Klaus Hurrelmann

Von einer Generation, die in einer Welt voller Chancen aufwächst, ist heute kaum mehr die Rede. Stattdessen: Klimakrise, Krieg, Pandemie, Inflation – die jungen Menschen von heute starten ins Berufsleben im Dauerkrisenmodus. Was das mit ihnen macht und welche Unterstützung sie nun brauchen, wird zunehmend zur gesellschaftlichen Schlüsselfrage. Um die jungen Menschen zwischen Optimierungsdruck und Orientierungslosigkeit systematisch begleiten und gezielt unterstützen zu können, gilt es, den Übergang in die Arbeitswelt neu und zeitgemäß zu gestalten.

Was prägt die junge Generation?

Schon in den 1920er Jahren hat der Soziologe Karl Mannheim das Konzept der "Generationsgestalt" geprägt: Er beobachtete, dass sich etwa alle zehn bis fünfzehn Jahre die wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Bedingungen so stark verändern, dass daraus jeweils eigene, generationstypische Persönlichkeitsmuster entstehen. Entscheidender Prägezeitraum: die Jugendjahre zwischen 14 und 25.

Bild: trustmastertx/Adobe Stock

Ein klassisches Beispiel ist die "skeptische Generation", die der Soziologe Helmut Schelsky Ende der 1950er Jahren beschrieb. Gemeint waren die Jahrgänge 1925 bis 1940, die zwischen Judenverfolgung, Krieg, Hunger und später der politischen Unsicherheit der Nachkriegszeit groß wurden. Entgegen vielen Erwartungen machten sie ihre Eltern nicht verantwortlich für die Katastrophen des Dritten Reiches. Im Gegenteil: Die schwierigen Umstände schweißten sie zusammen. Sie entwickelten eine pragmatische, auf das Notwendige reduzierte Lebenshaltung – ohne Illusionen, aber mit Tatkraft.

Auch heute steht eine Generation vor epochalen Herausforderungen. Doch anders als damals fehlt häufig das Gemeinschaftsgefühl. Viele fühlen sich überfordert und allein gelassen – gerade beim Übergang von der Schule in den Beruf. Sie haben den Eindruck, ihnen gehe es schlechter als anderen und sie würden benachteiligt.

Junge Menschen zwischen Optimierungsdruck und Orientierungslosigkeit

Was erwartet die sogenannte Generation Z – also die heute etwa 15- bis 30-Jährigen – von ihrem Berufsleben? Die aktuelle Trendstudie Jugend in Deutschland liefert spannende Einblicke. Sie basiert auf einer repräsentativen Befragung junger Menschen im Alter von 14 bis 29 Jahren.

Erstens: Die Generation Z steht unter enormem Druck.

Viele von ihnen haben die Pandemie als massive Zumutung erlebt, ihre Jugendzeit wurde regelrecht ausgebremst. Die Klimakrise wirkt bedrohlich, die Kriegs- und Inflationsängste sind groß. Zukunftssorgen – auch mit Blick auf Altersarmut – breiten sich aus. Die Folge: psychische Belastungen nehmen deutlich zu. Zehn Prozent der jungen Leute sind laut Studie in akuter mentaler Not, die Hälfte davon behandlungsbedürftig. Suchterkrankungen, Aggressionen und Rückzugsverhalten häufen sich. Der jugendtypische Optimismus bröckelt.

Zweitens: Der Weg ins Berufsleben ist unübersichtlich wie nie.

Zwischen fast 400 Ausbildungsberufen und über 20.000 Studiengängen sollen junge Menschen heute "die richtige Wahl" treffen. Das ist nicht nur wegen der schieren Anzahl von Optionen fast unmöglich, sondern auch zusätzlich deshalb, weil sich die Berufsbilder durch die Digitalisierung oft innerhalb weniger Jahre verändern. Der Übergang ist zu einem oft lang gestreckten und schwer kalkulierbaren Prozess geworden. Das Bildungssystem und der Arbeitsmarkt haben sich voneinander entfernt. In dieser Situation greifen immer mehr junge Leute zur "Abschlussoptimierung" und streben Abitur oder Fachabitur an. Wer das nicht schaffet, fühlt sich schnell als Bildungsverlierer.

Drittens: Eltern spielen eine entscheidende Rolle – sind aber oft überfordert.

Mütter und Väter sind Vertrauenspersonen geblieben. Sie begleiten viele wichtige Entscheidungen ihrer Kinder – auch die Berufswahl. Konflikte zwischen den Generationen sind selten. Doch nicht alle Eltern sind auf dem neuesten Stand, was Berufsbilder, Studienmöglichkeiten oder den Wandel der Arbeitswelt betrifft. Hinzu kommt: Eltern sind keine neutralen Ratgeber. Sie meinen es gut – und engen oft unbeabsichtigt die Entscheidungsspielräume ihrer Kinder ein.

Wie die junge Generation arbeiten möchte

Die  Trendstudie "Jugend in Deutschland" zeigt: Junge Menschen wollen arbeiten – aber anders als frühere Generationen. Die Erwartungen an Job und Arbeitgeber sind hoch – und sie sind konkret:

  • Gute Arbeitsbedingungen: Die Arbeit soll sinnstiftend, abwechslungsreich und möglichst stressfrei sein. Kollegialität, klare Rollen und flache Hierarchien sind gefragt.
  • Wertschätzung und Förderung: Feedback, Weiterbildung, Talententwicklung – junge Menschen erwarten gezielte Unterstützung und ernst gemeinte Anerkennung.
  • Gesundheit und Vereinbarkeit: Die Balance von Beruf und Privatleben steht im Mittelpunkt. Homeoffice, flexible Arbeitszeiten und Burn-out-Prävention sind zentrale Anliegen.
  • Faire Bezahlung: Vor dem Hintergrund von Inflation und wirtschaftlicher Unsicherheit gewinnt das Thema Einkommen stark an Bedeutung – nicht zuletzt seit dem Ukrainekrieg.

Insgesamt zeigt sich: Die Generation Z ist leistungsbereit, aber nicht um jeden Preis. Sie will arbeiten – aber selbstbestimmt, gesund und in einem Umfeld, das zur eigenen Lebensqualität passt.

"Nur wenn es gelingt, den Übergang systematisch zu begleiten und gezielt zu unterstützen, lässt sich verhindern, dass eine ganze Generation zwischen Optionenvielfalt und Zukunftsangst ins Leere läuft."

 

Was jetzt zu tun ist

Die Anforderungen der jungen Generation stellen Berufsorientierung und -beratung vor große Aufgaben. Schulen, Jugendberufsagenturen und Eltern müssen gemeinsam dafür sorgen, dass der Übergang in den Beruf gelingt. Fünf Punkte sind besonders entscheidend:

  • Den Krisenmodus ernst nehmen: Beratung muss heute mehr leisten als reine Orientierung. Sie muss auch Halt geben – psychisch, emotional, strukturell. Angebote zur mentalen Gesundheitsförderung sollten integraler Bestandteil werden.
  • Transparenz schaffen: Die Vielfalt an Möglichkeiten darf nicht zur Überforderung führen. Nötig sind klare Informationssysteme, digitale Tools zur Berufsfindung und persönliche Begleitung bei Übergängen.
  • Work-Life-Balance thematisieren: Berufsinformation sollte frühzeitig auch Themen wie Arbeitszeitmodelle, Homeoffice oder Stressmanagement aufgreifen – und nicht nur Fakten über Ausbildungsinhalte vermitteln.
  • Realistische Erwartungen fördern: Berufsberatung muss auch Enttäuschungen vorbeugen. Nicht jeder Job ist der perfekte. Umso wichtiger sind ehrliche Einblicke in die Arbeitswelt – und die Vermittlung von Fähigkeiten wie Gehaltsverhandlungen oder Vertragsbewertung.
  • Eltern gezielt einbeziehen: Eltern bleiben die wichtigsten Ratgeber – sie sollten informiert, eingebunden und gestärkt werden, damit sie ihre Kinder nicht einengen, sondern begleiten können.

Fazit

Die Generation Z ist weder faul noch desinteressiert – sie ist gefordert wie lange keine Generation zuvor. Sie will arbeiten, gestalten, Verantwortung übernehmen. Doch dafür braucht sie Unterstützung – nicht bevormundend, sondern auf Augenhöhe. Wenn es gelingt, den Übergang in die Arbeitswelt neu und zeitgemäß zu gestalten, profitieren am Ende alle: die jungen Menschen, die Unternehmen – und die Gesellschaft als Ganze.

Konkret bedeutet das:

Schulen sollten die Berufsorientierung mit mehr Zeit, Ressourcen und konkreten Praxisanteilen ausstatten. Betriebspraktika, Berufsparcours und Projektwochen mit externen Partnern brauchen einen festen Platz im Stundenplan.

Jugendberufsagenturen sollten gestärkt und besser vernetzt werden – mit Schulen, Betrieben, Hochschulen und sozialen Diensten. Sie brauchen mobile Teams, die auch an Schulen aktiv sind.

Unternehmen können durch frühzeitige Kooperationen mit Schulen – etwa in Form von Patenschaften, Schulbesuchen oder Mentoring-Programmen – zur Berufsorientierung beitragen.

Mentoring-Programme mit Auszubildenden und Studierenden helfen, den Übergang greifbar und realistisch zu gestalten. Gleichaltrige Vorbilder sind oft überzeugender als offizielle Beratung.

Der Staat sollte Übergangsphasen finanziell besser absichern, etwa durch mehr geförderte Orientierungsjahre, Berufseinstiegspraktika oder Zuschüsse für überbetriebliche Ausbildung.

Schließlich braucht es eine bundesweite Qualitätsoffensive für Berufsberatung, die digitale Instrumente (zum Beispiel Matching-Plattformen und Orientierungstests) mit persönlicher Begleitung kombiniert und alle jungen Menschen – unabhängig von Herkunft oder Schulform – erreicht.

Nur wenn es gelingt, den Übergang systematisch zu begleiten und gezielt zu unterstützen, lässt sich verhindern, dass eine ganze Generation zwischen Optionenvielfalt und Zukunftsangst ins Leere läuft.